DESMOND MORRIS

Penis und Damensattel

Der Erfinder des »nackten Affen« guckt wieder hin

Es gibt nichts, was Desmond Morris nicht aus der biologischen Entwicklung heraus erklären könnte. Ob wir uns kratzen, ob wir uns lieben, töten oder wie wir die Beine übereinanderschlagen: Alles ist dem britischen Populär-Forscher eins, und fast nichts davon hat er selbst beobachtet, sondern bei Kollegen abgeschrieben. Diese Art des Forschungsrecycling ist zwar auch nützlich, weil es abgelegene Erkenntnisse und Forschungszweige populärwisenschaftlich aufbereitet (immer mit vielen schönen, bunten Bildern), es ist aber auch ärgerlich, weil natürlich vieles unterschlägt, und sei es nur, daß es sich bei fast allem, was Morris als "Erkenntnis" präsentiert, um Interpretationen handelt. Warum der weibliche Körper mehr Fett enthält als der männliche, wieso wir, wenn wir verliebt sind, uns auch überaus albern benehmen, warum der Penis dick ist: all das ist ja nicht mit Messer, Waage und Echelmeyerkolben herauszubekommen, sondern interpreationswürdig. Wenn Morris jetzt also, passend zur TV-Serie auf "premiere", in Mars und Venus vorgibt, Das Liebesleben der Menschen zu erklären, erfährt man zwar auch viel nützliches - etwa warum der Damensattel erfunden wurde - man sollte es aber auch mit Vorsicht genießen. Daß Homosexualität zum Beispiel nichts weiter sei als urpsrünglich die Reaktion auf eine heterosexuelle Unterversorgung - das kann man auch anders sehen.
Erich Sauer
Desmond Morris: Mars und Venus. Das Liebesleben der Menschen Heyne, München 1997, 256 S., 90 Farbabb., 39,80 DM ISBN: 3453129261