MICHAEL MOORE

Born in the USA

Michael Moore erzählt, was ihm seit seinem »Oscar« so alles passiert ist Als der amerikanische Dokumentarfilmer Michael Moore 2003 einen Akademie Award für Bowling for Colombine erhielt, wollte die ansonsten eher konservative Oscar-Akademie wohl ein Zeichen setzen.

Trotz Irak-Krieg und Terror-Hysterie sollte ein irgendwie linker Amerikaner dafür geehrt werden, dass er seinen Landsleuten klar gemacht hatte, wie unsinnig sie mit Waffen umgehen.

Was die Akademie keinesfalls gewollt hatte, war das, was dann geschah: Michael Moore, die Gunst der Stunde und ein Millionenpublikum nutzend, trat, seinen Oscar in der Hand schwenkend, vors Mikrophon und sagte unter anderem "Shame on you, Mr. Bush! Wann immer Sie die Dixie Chicks und den Papst gegen sich haben, ist Ihre Zeit abgelaufen!" Das gab Ärger.

"Als ich mit meiner Ansprache halb fertig war, brach die Hölle los. Auf den oberen Rängen und hinter der Bühne wurde gebuht, sehr laut gebuht. (Einige Zuhörer - Martin Scorsese und Meryl Streep- versuchten, mich von ihren Plätzen aus anzufeuern, aber sie kamen nicht gegen die Buhrufer an). Gil Gates, der Produzent der Show, befahl dem Orchester zu spielen, damit man mich nicht mehr hörte."

So beschreibt Moore die Szene in seiner Autobiografie Here Comes Trouble, die den Leidensweg des Filmemachers Moore gewohnt sarkastisch, witzig und jenseits allen Selbstmitleids beschreibt. Als Moore von der Oscar-Verleihung nach Hause kommt, haben ihm die Nachbarn hüfthoch Pferdescheiße in die Hauseinfahrt gekippt. Im Rasen vor dem Haus stecken Schilder "Hau ab, Michael!" und er wird bedroht. Neun Ex-Navy Seals müssen den Filmemacher beschützen, der nach seinem Erfolg keine Ruhe gegeben hatte und mit Fahrenheit 9/11 einen Anti-Bush-Film drehte, der erfolgreicher war als alles, was Moore bis dahin gemacht hatte. War er vorher eine kleine Kultfigur der Linken gewesen, stieß er jetzt mit Fahrenheit 9/11 tief ins Herz von Mainstream-Amerika; here Comes Trouble.

In kleinen Geschichten erzählt Moore seinen Werdegang, vom Schulhofflegel, der als erster in den Schulbeirat einzieht, als Aktivist, der früh die Macht der Medien einzuschätzen weiß und der eher zufällig bei Kevin Rafferty (The Atomic Café) das Handwerk des Dokumentarfilmers lernt. Und die wiederum eher zufällig entstandene Idee, einen Konzernchef zum Gespräch zu bitten, führte zu Roger and me und dem oft als eitel gescholtenen Moore-Stil, bei dem er selbst immer deutlich im Bild ist und als Stimme des Gewissens und Politclown durch den Film führt.

Dass er damit dem Dokumentarfilm zu neuer Blüte verhalf, erwähnt er nicht. Tatsächlich stehen eine Menge erfolgreiche Nachfolger auf Moores Schultern und haben es ihm zu verdanken, dass die agitatorische Polit-Doku vorübergehend wieder einen Platz im Kino fand. Bowling for Colombine hat dabei weniger erreicht als Moore hoffte. Die Amokläufe (einer davon in Denver war Auslöser für den Film) haben weltweit nicht aufgehört, Wal-Mart verkauft immer noch Waffen und Munition, und die Waffenlobby in den USA ist eher noch aggressiver geworden.

Die Neuauflage der DVD enthält einige neue Extras, das sind allerdings nur drei Features, die alle nicht aktueller sind als sechs Monate nach der berüchtigten Oscar-Nacht. In insgesamt 90 Minuten sehen wir Moore mit stolzer Brust nach Colorado zurückgekehrt, wo er sich in Littelton von Studenten befragen lässt. Das zweite Feature ist ein Interview, gegeben in England zur Premiere seines Films 2003, und im dritten kichert er, seinen Oscar neben sich, in die Kamera und erzählt, was seit den drei Wochen nach der Verleihung geschehen ist.

Die Bilder der Oscar-Nacht selbst darf Moore nicht zeigen. Die wurden zwar weltweit ausgestrahlt, gehören aber der Oscar-Akademie. Und die hat ihm jegliche Verwendung des Materials untersagt. Wie gesagt: Man wollte ein Zeichen setzen, aber nicht zu sehr.

Erich Sauer
Michael Moore: Here Comes Trouble. Mein Leben als Querschläger. Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Reiner Pfleiderer. Mit acht Abb. Piper,. München 2012, 400 S., 19,99 / Bowling for Colombine. Neuedition bei Prokino mit 90 Min. Extras.