TV NATION
Hinterm Rücken des Feindes
Wie man subversives Fernsehen macht
Michael Moore hat ja nicht nur gute Ideen, er weiß auch, wie er sie umsetzen muß. In den 90ern kam er (auf ziemlich abstruse Art und Weise) zu einer eigenen TV-Show namens TV Nation, in der er jeweils 45 Minuten lang machen konnte, was er wollte (von 105 produzierten Beiträgen wurden nur 5 nicht ausgetrahlt). Gemeinsam mit seiner Frau Kathleen Glynn (die als Produzentin an der Show beteiligt war) hat er in dem Buch Hurra Amerika! 1998 die Geschichte dieser 17 Folgen langen Show aufgeschrieben.
Wie immer bei Moore geht es auch hier eigentlich um amerikanische Themen: Newt Gingrich und die Neue Rechte, Konzerne, Armut, Hochmut - die ganze Palette des american way of life aus Moores Sicht.
Hurra Amerika! ist lesenswert, weil es Ideen präsentiert, die auch fürs hiesige Fernsehen taugten. Etwa: wir kaufen uns für 5000 Dollar einen Lobbyisten und bringen ein Gesetz durch (das klappt!). Oder: wir fahren zu einer Nazi-Versammlung und lassen einen Chor von Schwarzen ein Lied über Liebe singen, solange, bis die Nazis die Nerven verlieren. Oder: wir laden den kroatischen und den serbischen Botschafter ein (damals war Krieg in Bosnien) und lassen beide zusammen eine Pizza essen. Oder: wir testen in einer "Krankenolympiade" die Gesundheitssysteme von Kanada, Kuba und den USA (das war das einzige Mal, dass die Sender-Zensur sich durchsetzte: eigentlich hätte Kuba gewinnen müssen, aber der Sender bestand darauf, dass es mindestens Kanada sein müsse, man könne die Kommies nicht zur Hauptsendezeit im Fernsehen siegen lassen, in welcher Disziplin auch immer).
Warum konservative Sender wie NBC und Fox das ausstrahlten? - "Fernsehgesellschaften sind nicht wie wir", schreibt Moore, "sie haben keine 'Gefühle'oder 'politische Ansichten'. Sie haben eine Bilanz. Und unsere Bilanz in den von ihnen bervorzugten Altersgruppen war ausgesprochen gut". Einen Tag nach der Ausstrahlung der letzten Folge erhielt TV Nation einen "Emmy".
Hurra Amerika! beweist: langweiliges Fernsehen entsteht wegen der Feigheit und Phantasielosigkeit der Macher. Mit subversivem Witz, Intelligenz und wenig Geld läßt sich eine Menge Aufklärung hinter dem Rücken des Feindes betreiben.
Erich Sauer
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