DRESSING
Krawatten für die Königin Albernes für Androgynther - eine Travesta-Trip-Theorie über Klamotten als Geschlechtsumwandler Was dem einen sein bunter Rock ist der anderen ihr Sakko; und während die hippsten Damen sich Irish Moos in die Achseln träufeln, tragen gewisse Kerle Ringe gar schon beidohrig. In der Tat, um solche Kulissenschiebereien im Geschlechts-Oufitting kann man sich kümmern. Könnte man vielleicht sogar mit Gewinn: sind weiße Söckchen weibisch - ersetzt der Hosenträger das Korsett - sind Miniplis reaktionärer als Dauerwellen ...? Und was ist am "Crossdressing" überhaupt neu? Heiliger Ziggie Stardust: die einzig wirklich wichtige Frage wäre, wieso das Unisex-Parfüm erst zwei Generation nach dem Bauch und Busen egalisierenden Parka zum Produkt gerann. Und das ist nicht die einzige Frage, die Susanne Benedik und Adolphe Binder (aha: adäquat quergeschlechtein - sie mit harten Wangen, er mit fließenden Schläfen) in ihrer zum Buch umgeschriebenen Magisterarbeit (akademisch erfahrene Leser winken innen da schon ab) unbeantwortet lassen. Gescheeige denn stellen. Von tanzenden Kleidern und sprechenden Leibern möchte immerhin das aus mangelnder Geschichtskenntnis für modern gehaltene Untertitel-Problem klären, ob "Crossdressing" zur "Überwindung der Geschlechterpolarität" tauge. Tut's aber nicht. Das Crossdressing nicht (eine Binsenweisheit: Tunten lassen sich gern in den Mantel helfen, kesse Väter trocknen trotzdem ungern ab ...) - und das Buch erst recht nicht. Gerade weil es, gegen die ebenso ausführlich wie schwerlesbar referierten Mode-Analysen von Marjorie Garber, Jean Baudrillard, Barbara Vinken und Camille Paglia (speziell diese unsaubere Feministin verdiente popularisierendere Arbeiten) an der rollensprengenden Potenz des Kleidertauschs als aktuelle Chance festhallten will. Das Dilemma ist dabei: wer Sex-Stereotype aufweicht - und selbst der affirmative Nachtclub-Humor etwa Madame Gigis (die ausführlich kommentierte Notation eines Auftritts dieser Hinterzimmer-Travestie-Künstlerin ist, der Rezensent kennt das Opfer aus der Garderobe, treffend) stellt "Typisches" via Zote zur Disposition - der bestätigt zugleich die Kategorien des Gegners durch bloße Benutzung. Was bleibt? Eine schauderhafte Sprache ("Die essentiell-biologistische Vorstellung einer homogenen Identität in einer androzentristischen Gesellschaft ist nicht nur per se eine Illusion, wie Paglia sagen würde, sondern auch noch bestgehütet", S. 231) - eine erstaunliche Menge Theorie-Material (danke, wer einmal seinen Magister hat, kommt nicht mehr so viel zum Lesen) - und das vage Versprechen, daß, wer seiner Freundin zum Staatsexamen das Krawattenbinden beibringt, später nicht notwendig als Trauzeuge herhalten muß. Bzw. umgekehrt. Ein schwacher Trost, ein schlechtes Buch, ein interessantes Thema. Und ich habe, mit mehr Ohrringen als sie, gerade kein anderes da, um mich auf ihre Scheidung vorzubereiten. WING
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Susanne Benedek/Adolphe Binder: Von tanzenden Kleidern und sprechenden Leibern. edition ebersbach 1996, 239 S., 38.- DM |