ERINNERUNGEN
Lakonisches Luder
»Das sexuelle Leben der Catherine M.« gibt's jetzt als Taschenbuch
Wie jede gute Pornografie, so ist auch das Buch der Redakteurin Catherine Millet banal. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn es darum geht, die Mechanismen der Lust zu schildern - und das tut Madame Millet mit lakonischer Hingabe - findet der Rest der Welt nicht statt; das ist der Sinn von Lust.
Ungewöhnlich ist eher, dass Catherine Millet ihr eigenes Leben "beichtet" als Abfolge ebenso lustvoller wie charmant gleichgültig hingenommener Massen-Vögeleien. Ob im Hinterzimmer eines Restaurants, auf der Ladefläche eines LKW oder während einer Party: die Autorin mag es, möglichst anonym von möglichst vielen Männern "durchgevögelt" zu werden, vaginal, anal, oral - egal.
Das Irritierende an diesen 2001 erstmals erschienenen Memoiren ist einerseits die Versicherung der Autorin, dabei ein Maximum an Lust erfahren zu haben, andererseits ihr distanzierter, sachlich-mechanischer Stil, in dem sie das alles schildert, als ob sie sich im Spiegel betrachten würden - aber wie anders, schreibt sie in ihrem Vorwort, als beständig wie in einem Spiegel sollte ein intelligenter Mensch sich betrachten?
Die unbekümmerte Amoralität, mit der Catherine Millet das Land des ungehemmten Sex betreten hat und von dem sie ehrlich berichtet, führt zu der Erkenntnis, dass man diese Gegend auch nicht fröhlicher und erfüllter verläßt als nach Jahren der seriellen Monogamie. Und weil das kein moralisches, sondern ein empirisches Urteil ist, muß man auch das Gegenteil akzeptieren: jahrelange Promiskuität (den ersten Gruppensex hatte Frau Millet kurz nach ihrer Entjungferung) führt nicht in die nervliche Zerrüttung. Manchmal müssen banale Dinge eben gelassen ausgesprochen werden.
Thomas Friedrich
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