MILLENNIUM
Bis zur Grenzzeit Ravend geht die Welt zugrunde: englische Stories Herausgeberin und Beiträger sind Musikjournalisten, DJs, Spoken Word-Performer, Musiker, meist langsam ausklingend wilde Leute in ihren 30ern. Schon im letzten Jahr legten sie mit Disco 2000 die Jahrtausend-End-Anthologie für Partypeople auf - und für die deutsche Ausgabe wurden nichtmal die Autoren-Kommentare überarbeitet; Robert Wilson soll im Juni 98 seine Verschwörungs-Theorie-Enzyklopädie herausbringen? Robert Wilson ist nicht jung, Douglas Coupland ist kein Engländer, Pat Cadigan nimmt keine Drogen, Poppy Z. ist Brite und ganz normal verheiratet ... aber sonst sumpfen alle herum, raven in der Wüste Negev, stossen in Tibet an die Zeitmauer hinter Sylvester, stecken ihre Nasen in jeden Puder, ficken sich abwechselnd den Verstand oder den Nebel aus dem Hirn - und lassen am Ende dann doch die Welt meistens weiterlaufen. Alle Erzählungen spielen in den letzten Stunden des 31. Dezembers 1999 - bis auf eine, die 2012 spielt, weil der Maya-Kalender der Katastrophen doch recht hat. Die meisten Motive des Millennarismus kommen vor - aber vor allem: die Party-Szene heute. Mit Decks statt Gitarren, Extasy statt Mescalin, Raves statt Ragas, schwulen Paaren statt Gruppensex ... und vielen vielen Loops. Alles kommt immer wieder; die Kinder der Kinder von Torremolinos sind gebildeter, besuchen etwa die schönsten Orgien der Literaturgeschichte und wissen genau, dass nur die christliche Zeitrechnung an dem Endzeit-Unsinn schuld ist. Dass die letzte, westliche Jahrhundert-Euphorie nachweislich erst 99 her ist, juckt daher keinen. Und dass das Wassermann-Zeitalter der Eltern kalter Kaffee war, wird nichtmal mehr erwähnt. WING
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Sarah Champion (Hg.): Die letzte Nacht des Jahrtausends Neue Stories aus England Rowohlt, Reinbek 1999 (Tb-Nr. 22587), 334 S., 16,90 DM |