USA

Der vorletzte Indianer

Ein Roman, der sich zu viel vornimmt

Eli McCullough wurde 1836 in Texas geboren und ist damit so alt wie der Staat selbst. Seine Geschichte ist das faszinierende Kernstück des Romans Der erste Sohn von Philipp Meyer. Eli wird als Jugendlicher von Comanchen entführt (die vorher seine Familie abgeschlachtet und Mutter und Schwester zuvor vergewaltigt hatten) und wächst bei ihnen auf, wird einer von ihnen. Wir lernen faszinierende Dinge über dieses Reitervolk, dass man dort von den meisten anderen Stämmen nicht mehr hielt als von den Weißen, dass ein Name bei den Comanchen nur einmal vergeben wird und dass die Kriegspfeile anders beschaffen sind als die Jagdpfeile. Und wir erleben den langsamen Untergang von Elis neuem Volk. Weniger Bison, mehr weiße Siedler, Indianerstämme, die vom Norden und Osten her dem Siedlungsdruck weichen, und nicht zuletzt die Pocken, eingeschleppt aus Europa und teilweise absichtlich unter den Ureinwohnern verbreitet, die massenweise an der Krankheit zugrunde gingen, gegen die es längst einen Impfstoff gab.

Leider wollte Meyer auch noch den großen Roman der amerikanischen Besiedlung schreiben, weshalb es neben dieser Handlung noch zwei weitere gibt: Sohn und Urenkelin Elis spinnen die Handlung fort. Beide bleiben als Figuren blass und klischeehaft, und der Übergang von der Viehwirtschaft zum Erdölstaat (der 40 Prozent des Bedarfs der US-Streitkräfte im 2. Weltkrieg deckte) ist nur mäßig spannend im Vergleich zur kulturellen Auflösung Elis, der ganz und gar Comanche wird, bevor er dann aus dramaturgischen Gründen wieder ein Weißer wird.

Statt auch die politische Geschichte dieses Stammes zu erzählen, der zu seiner Blütezeit 40.000 Köpfe zählte, verliert sich Meyer in flachsten philosophischen Betrachtungen der Folge-Protagonisten, die irgendwie erkennen, dass eben alles so kommen muss, wie es kommt. Auch wegen seiner stilistischen Einfalt ist Der erste Sohn keinesfalls ein "moderner Klassiker" oder gar mit den Romanen Dos Passos´ zu vergleichen, wie der Klappentext suggeriert. Als Mischung aus Dee Brown und "Vom Winde verweht" geht das aber durch.

Thomas Friedrich

Philipp Meyer: Der erste Sohn. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog. Knaus, München 2014, 608 S., 24,99