WELTERKLÄRER

Be bad!

»Das Mephisto Prinzip« empfiehlt den hemmungslosen Egoismus

Natürlich sind TV-Soaps eine kulturelle Pest. Sie können aber auch Gutes bewirken. In Ländern der Dritten Welt hat das Fernsehen einen nachweisbaren Einfluß auf sinkende Geburtenraten - weil nämlich Frauen, denen sonst in männderdominierten Gesellschaften alle Bildung vorenthalten wird, plötzlich was lernen, das sie gar nicht lernen sollten. In Tansania wurde die Wirkung der beliebten Radio-Serie "Twenda na Wakati" über einen herumhurenden verheirateten Fernfahrer untersucht. Ergebnis: Ehefrauen, die die Sendung kannten, verhüteten doppelt so häufig wie jene die nie von ihr gehört hatten, und zwar mit ausdrücklichen Bezug auf die beliebte Serie.
Derlei Ereignisse lieben die Autoren Dirk Maxeiner und Michael Miersch und haben ein ganzes Buch vollgeschrieben, das die segensreiche Wirkung von Kulturimperialismus, Kapitalismus und Egoismus beschreibt. Wer einfach nur reich werden will, richtet weniger Schaden an, so die Autoren, als jemand, der "Gerechtigkeit für alle" auf dem Verordnungswege erreichen will.
Zum Beispiel wirkt McDonalds friedensstiftend: Keine zwei Nationen, denen der Schnellbräter seine Brötchen verkauft, haben je gegeneinander Krieg geführt - sagen Maxeiner und Miersch. Grund: Wo's McDonalds gibt, braucht's eine solvente Mittelschicht, und die liebt nunmal keine nationalistischen Kriege.
Nicht nur hier klingt das alles sehr nach Guido Westerwelle. Weil es gleichzeitig wahr und gelogen ist. Dass es in Panama keine McDonalds-Filliale gibt, erscheint unwahrscheinlich. Richtig ist aber, dass der Überfall durch die USA keine nationalistischen, sondern rein politisch-finanzielle Gründe hatte. Und auch kein Krieg war, weil einfach nie einer erklärt wurde. Als Argument, Kapitalismus wirke friedensstiftend, weil er Nationalismen ablehnt, ist das formal korrekt, inhaltlich eher zynisch.
So geht das eben, wenn zwei Autoren des Eichborn Verlages, auf Originalität abonniert, antreten, um zu erklären, wie das Gute durch das Böse in die Welt kommt, wie der Kapitalismus all das erreicht, was der Sozialismus sich einst auf die Fahnen schrieb: Freiheit, Reichtum, Nahrung für alle. Dafür muß sogar die deutsche Geschichte umgeschrieben werden, denn nach Maxeiner und Miersch scheiterten die Nazis deshalb, weil sie wilde Antikapitalisten waren (sie machen hier den Fehler vieler Hobby-Historiker und nehmen die Propaganda der Nazis als Wirklichkeit).
Aberwitzig ist auch die These, Massentourismus sei gut für die Natur. Weil etwa deutsche Tierliebhaber jetzt auch nach Ruanda fliegen können, so die Autoren, würden dort die knuddeligen Gorillas geschützt. Derartige Einzelfälle ändern nichts daran, dass etwa Mallorca inzwischen das Trinkwasser ausgeht und in Österreich und der Schweiz der touristengeplagte Berg nicht nur ruft, sondern inzwischen auch schon mal selbst ins Tal kommt. Dass Anti-Pelzmantelkampagnen den Wildtierbestand bedrohen, mag auf verquere Art richtig sein, spricht aber nicht gegen die Kampagnen, die sich vorwiegend gegen Pelztierfarmen wenden. Und dass die böse kalte Technik ein Segen sei und Fortschrittsfeindlichkeit albern, kann man ja mit Vernunft annehmen; trotzdem wurde in - Zufall! - Ruanda der Völkermord möglich durch die propagandistische Wirkung des Radios.
Das Mephisto Prinzip hat die richtige (und weißgott nicht neue) Idee: nicht alles, was gut sein will, bringt Gutes hervor; Sozialhilfe beseitigt keine Armut, sondern zementiert sie und macht ansonsten nur den mächtigen Stand der öffentlichen Hilfsberufe und Geldverwalter satt.
Der Gegenentwurf aber, alles durch Profitsucht und Marktgesetze regeln zu lassen, ist in seiner Absolutheit genau so falsch. Das mögen sogar die Autoren vermutet haben. Fleißig türmen sie Beispiel auf Beispiel, um die Überlegenheit des Marktes zu beweisen. Die Frage aber, warum das angeblich so ist, wo das Naturgesetz steckt, das individuelles Streben nach Glück immer in Allgemeinwohl verwandelt - diese Frage haben sie sicherheitshalber gar nicht erst gestellt. Vielleicht hätten sie dann nämlich ein weiteres Buch schreiben müssen: Das Zufalls-Prinzip. Oder um eine andere Zahl zu zitieren: 40% der Weltbevölkerung müssen mit 1 Dollar täglich auskommen. Das stört den Markt nicht, und die Autoren schon gar nicht. Dass damit aber ein "sozialistisches" Ziel erreicht worden sei, erscheint doch eher fraglich.
Thomas Friedrich
Dirk Maxeiner, Michael Miersch: Das Mephisto Prinzip. Warum es besser ist, nicht gut zu sein. Eichborn, Frankfurt 2001, 187 S., 34,- DM ISBN: 3821816368