SEX
Unfall im Bett Ian McEwan lässt die Liebe in der Hochzeitsnacht scheitern Da lieben sich zwei im England des Jahres 1962 heftig und innig. Die Klassenschranken wurden überwunden - er kommt aus ärmlichen Verhältnissen, sie hat's eher dicke - die Schwiegereltern haben keine Einwände, die Hochzeit war ein Rausch. Und jetzt sitzt das junge Paar auf dem Hotelzimmer, und er will sie, nach 12 Monaten innerer Lustvorbereitung, jetzt endlich vögeln. Und sie will nichts weniger als das. Denn sie hat schlimme Dinge gelesen und gehört über "Penetration" und "Penisspitze". Als die zwei dann halb neugierig, halb zu Tode erschreckt, ins Bett fallen, rennt die verstörte Braut kurze Zeit später schreiend aus dem Hotelzimmer. Am Strand des Hotels kommt es zur Aussprache zwischen den jungen Leuten. Der Engländer Ian McEwan, sonst eher auf dickleibige Romane spezialisiert, hat sich mit Am Strand eine eher dünnseitige Erzählung gegönnt. Mit ernsthaftem Duktus und doch sehr komisch erklärt uns der Autor das Dilemma der Liebenden: "Was stand ihnen im Weg? Ihr Charakter und ihre Vergangenheit, Unwissen und Furcht, Schüchternheit und Prüderie, innere Verbote, mangelnde Erfahrung..." - kurz: die ganzen schimmeligen Reste der 50er, die in den 60ern den Bach runtergingen. Im großen Bogen und doch detailliert breitet McEwan die Biografien zweier Teenager aus, die es fast in die Freie Liebe geschafft hätten, in die Herrschaft des Pop und des Poppens. Am Strand liest sich wie ein kurzer Bericht aus einer Zwischenzeit: Das Alte war noch nicht tot und das Neue noch nicht nah genug. Während der Bräutigam von dieser wilden Sache namens "Oralsex" träumt, möchte die Braut ihren Kerl am liebsten ohne Hoden. Bei solchen zum Missverständnis neigenden Zeiten kann eine vorzeitige (und, was das Ziel betrifft, deplacierte) Ejakulation das Ende einer Ehe bedeuten. Das ist sehr komisch. Und natürlich sehr traurig. Thomas Friedrich
Ian McEwan: Am Strand. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Diogenes, Zürich 2007, 207 S., 18,90 |