JUGEND
Eine fehlt
Ein trauriger College-Roman
In Richard Masons Die unsichtbare Vierte (im Original: "Us") erinnern sich drei Personen an ihre Jugend: als sie 18 Jahre alt waren, den ersten Sex hatten, den ersten Joint rauchten und zum ersten Mal merkten, dass Beziehungen ganz schön anstrengend sind. Sie erinnern sich, heute auf die 80er zurückblickend, jeder mit seiner eigenen Stimme. Allen gemein ist, dass sie mit einer Studentin namens Maggie befreundet waren, die damals starb, allen gemein ist, dass sie deshalb ihr Leben danach nicht mehr in den Griff bekamen; Freundschaften und Liebschaften zerbrachen.
Diese Maggie macht Richard Mason zum Dreh- und Angelpunkt seines melancholischen Romans. Maggie ist klug, witzig, aufsässig, unbekümmert, einfühlsam und will die ganze Welt retten. Jeder kommt sich neben Maggie klein und schäbig vor.
Diese Figur lässt Mason in den Köpfen der anderen stattfinden, wenn das Buch beginnt, ist Maggie bereits tot. Dass er so seiner zentralen Figur keine Stimme geben kann, ist eine der Schwächen des Romans. Die andere ist eine etwas wirre, willkürliche Handlungsführung, die Konflikte erzwingt wie aus dem Lehrbuch: Maggies Bruder und deren Geliebter müssen sich prügeln, als Maggies Bruder seine Freundin an Maggie verliert, versteinert er innerlich - es werden eine Menge "wir sägen uns eine Tragödie"-Klischees benutzt.
Aber dafür hat Mason ein Gespür für Szenen, für kleine Augenblicke, innere Monologe. Es gibt komische Szenen, die vom ersten Sex handeln, und herzzerreißende über das Schweigen in einer Beziehung. Mason beschreibt den Klassen-Terror englischer High-School und die Einsamkeit der Außenseiter. Das wiegt die vielen Schwächen der Geschichte glattweg auf.
Thomas Friedrich
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