Musik

Liebe im Herbst

Christoph Marzi erzählt eine magische Geschichte

Geschichten sind wie Melodien!" Um diese recht einfache Feststellung dreht sich die wundersame Geschichte der Faye Archer. Sie lebt als Single in Brooklyn, spielt als Holly Go! zerbrechlich-schöne Musik in schummrigen Bars und arbeitet tagsüber in einem Buchladen, der von einem an Weisheiten nicht armen Shaolin-Meister geführt wird. Und eines Tages kommt ein junger Mann in den Buchladen, sucht nach einem Buch von Truman Capote und lässt nebenbei den zitierten wichtigen Satz fallen. Faye hört nur seine Stimme, da sie in einem Hinterzimmer arbeitet, aber auf eine magische Weise wird sie von dem Satz gefangen genommen: "Geschichten sind wie Melodien!"

Sie hört gerne Musik und findet das nur einleuchtend. Der junge Mann verschwindet, vergisst jedoch sein Skizzenbuch im Laden. Sein Name ist schnell herausgefunden, gegoogelt und gefacebookt. Faye schreibt ihm eine Nachricht, in der sie ihm den Aufenthaltsort seines Skizzenbuches verrät. Mails werden hin- und hergeschickt, man lernt sich kennen. Doch schon bald hat Faye das Gefühl, dass Alex ihr etwas vorlügt. Sie sieht ihn mit einer anderen Frau, versucht herauszufinden, was da eigentlich gerade vor sich geht und wird zunehmend ärgerlicher, ängstlicher und verwirrend "wundersam", aber auf eine eher unangenehme Weise.

Christoph Marzi gelingt es, schöne Atmosphären einzufangen. Brooklyn im Herbst beschreibt er sehr detailliert und voller Genuss. Das liest sich angenehm weg, wenn dazu mitunter auch gehört, dass man einige Zeilen bis Absätze überfliegt. Die Charaktere kommen allerdings nicht so gut weg. Besonders Faye, deren Alltag man am Anfang noch recht unvoreingenommen verfolgt (und sich insgeheim wünscht, ein ähnlich kreatives Abhängen für sich zu etablieren), wird im Laufe des Romans zunehmend unausstehlicher. Irgendwann nervt es, ihr von Nostalgie durchzogenes, verhuschtes Leben zu verfolgen. Bei Alex geht es einem ähnlich, obwohl man über ihn viel weniger erfährt als über Faye. Da hätte man auch einen vollkommen anderen Charakter hinzuschreiben können, es hätte kaum einen Unterschied gemacht.

Am Ende gibt es, das gehört bei solchen Romanen mittlerweile dazu, eine Musikliste, die die Stimmung des Romans widerspiegeln soll. Mit Bob Dylan und Hans Zimmer. Die erzählen mit Melodien ja auch oft Geschichten.

Sacha Brohm

Christoph Marzi: Die wundersame Geschichte der Faye Archer. Heyne, München 2013, 383 S., 14,99