FRAUEN
Vorläufige Ankunft Geschichten einer bosnischen Kroatin in Berlin Senada Marjanovic, geboren in Bosnien und gesegnet mit serbischen, kroatischen und muslimischen Vorfahren, will eines Tages herausfinden, wie es sich anfühlt, mit einer Burka durch Berlin zu laufen, mit jenem stofflichen Ganzkörperkondom also, in das die Taliban die afghanischen Frauen hineinzwangen und das seit dem Balkankrieg der 90er auch in Bosnien immer öfter gesichtet wird. Senada Marjanovic ist knapp über 50 (sie hat das alte Tito-Jugoslawien also bewusst erlebt), trägt gerne Miniröcke, arbeitet als Journalistin und ist einfach nur neugierig. Ihr Experiment, nachzulesen in Burka und Jeans führt - zu gar nichts. Sie geht, auf die Straße und stellt fest: Vor allem Ausländer reagieren pikiert, die Deutschen ignorieren sie meistens. Es gibt hässliche Bemerkungen, unschöne Vorfälle (einmal bietet ihr ein notgeiler Muslim das an, "was alle Frauen brauchen" - was das denn sei, fragt Frau Marjanovic - "Mein Schwanz!" sagt der Alte, und sie: "Wenn schon: 'Meinen Schwanz' - Akkusativ!" - die Dame ist witzig), aber im Großen und Ganzen entdeckt sie dabei nicht viel. Trotzdem schreibt sie weiter, durchnummerierte und ungeordnete Kapitelchen zum Thema "Ausländerinnen in Deutschland". Mit gutem Selbstbewusstsein ausgestattet, kommt Frau Marjanovic dabei nie ins Jammern. Wenn sie wegen eines Deutschfehlers von der Brotverkäuferin angezischt wird "Deutsche Sprache, schwere Sprache!" sagt sie ruhig: "Na ja, Sie haben es ja auch gelernt, da werd ich's auch noch schaffen!". Sehr schön auch ihr Telefonat mit einem Wohnungsanbieter, der plötzlich keine Wohnung mehr anzubieten hat, weil er nicht will, dass "Ausländer in meine Wohnung kacken und pissen!", und sie sagt: "Das ist ja nicht alles, wir ficken auch richtig gut, aber davon wirst du impotenter Flachwichser nie was mitbekommen." Es geht auch darum, wo die Heimat ist. Und die steckt im Kopf und in den tausend Geschichten und Geschichtchen, die Marjanovic vom Balkan erzählt. Real lebt sie in Berlin und will nie wieder nach Bosnien zurück. Wenn sie das sagt, wird sie von besorgten Deutschen gefragt: "'Haben Sie in Deutschland keine schlechten Erfahrungen gemacht?' ,Doch', ist meine Antwort stereotyp, ,in den Bäckereien.' Diese Antwort stellt endlich alle zufrieden. ,Jetzt haben wir dich', steht auf den Gesichtern der Anwesenden geschrieben. ,Ich komme nämlich mit den vielen deutschen Brötchensorten nicht zurecht.'" Zeitlich ungeordnet aber thematisch gut organisiert, erzählt sie von ihrer Familie, ihrem duldsamen (holländischen) Mann, ihrer görenhaften Tochter und wie man Liebe und Leben und Arbeit in solch einer Familie organisiert. Es ist ein bisschen so als ob Axel Hacke schreiben könnte. Aus dieser originellen, weil letztlich so gar nicht zielgerichteten Ansammlung tiefer und putziger Weisheiten hat der Verlag eine kleine Katastrophe gemacht. Cover und Untertitel lassen ein wichtigtuerisches Sachbuch erwarten, dafür gibt es im Buch sehr peinliche Satzfehler ("Uhrgroßmutter") und mehrere schwere Umbruchfehler. Fast jeder andere Verlag hätte aus den lustigen Lebensweisheiten der Senada Marjanovic wahrscheinlich einen kleinen Hit gemacht. Thomas Friedrich
Senada Marjanovic: Burka und Jeans. Einblicke in eine west-östliche Parallelwelt. Molden, Wien 2007, 206 S., 19,90 |