PALÄSTINA Seemannsgarn Mitternacht im Garten von Gut und Böse oder wieso Israel sowieso immer im Unrecht ist: Ein Buch über die Gaza Rettungs-Flottille macht die Israelis mal wieder zu Monstern Im Verlag des Ex-Terroristen Karl-Heinz Dellwo ist ein Sammelband über die "Friedensflotte" erschienen, die im Mai 2010 auf dem Seeweg die Gaza-Blockade Israels durchbrechen wollte. Mitternacht auf der Mavi Marmara - Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille will dabei darstellen, was damals passiert ist und warum. Schon beim "Was" erweist sich das Buch als wenig hilfreich. Jede zitierte Zeugenaussage weicht gewaltig von den anderen ab, nur in der Uhrzeit ist man sich einig ("während des Morgengebetes" heißt es überall - ach ja, die Linke ist teilweise schon sehr auf den islamistischen Hund gekommen), alles andere verwirrt und klingt verworren. Mal wird vorher geschossen, mal mittendrin, mal am Ende. Mal ist erst der Hubschrauber da, dann sindīs die Zodiac-Bötchen, mal gibtīs erst Blendgranaten, dann wieder wird sofort geschossen. Einig ist man sich darin, dass die Israelis ein "Massaker" anrichteten, dass die "Märtyrer" Mordopfer sind und dass die Besatzung sich einfach nur mit dem verteidigte, "was gerade herumlag". Dass Zeugenaussagen sich widersprechen, weiß man von jedem Verkehrsunfall. Warum Moustafa Bayoumi als "Herausgeber" die Texte aber nicht ordnet, die Widersprüche nicht erklärt und den Stellenwert der Aussagen nicht erklärt, erscheint nur dem rätselhaft, der die von Anfang an vorhandene antisemitische Leidenschaft der Beteiligten nicht sieht. Da ist immer wieder von Israels "wahrem" Gesicht die Rede, von "gewissenlosen Kommandosoldaten", dem "Unrechtsstaat" oder "Apartheidsstaat" Israel. Araber finden, so die "historische Analyse" im Buch, plötzlich und unerwartet 1967 Teile ihrer Gebiete besetzt (dass es einen 6 Tage-Krieg gab und wer ihn angefangen hat... gottchen, für solche Kleinigkeiten haben moralisch überlegene Weltenretter wirklich keine Zeit). Selbst die Rückgabe des Gaza-Streifens war eine jüdische Perfidie. Und auf den permanenten Raketenbeschuss aus Gaza heraus hätte Israel nie mit Gewalt antworten dürfen, denn, so Flottillen-Matrose Noam Chomsky, "Israel könnte die Bedrohung durch Raketen problemlos mit friedlichen Mitteln beenden." "Die Kugeln, die die Körper der Aktivisten durchsiebten, kamen wie ein Bumerang zurück und zerstörten den Mythos von der Moral Israels." Solch verräterischen Murks schreibt Lamis Andoni, die als "erfahrene Journalistin und unabhängige Kolumnistin" vorgestellt wird. Ihren Chef-Posten bei Al Jazeera erwähnt man nicht, wo man ja bekanntlich viel vom israelischen "Moral-Mythos" hält. Auch der wiederholte Hinweis im Buch auf den sogenannten Goldstone Report, der israelische "Kriegsverbrechen" während des letzten Gaza-Krieges anprangerte, geht ins Leere. Der Jurist Goldstone, gelernter Apartheids-Richter aus Südafrika, hatte im Auftrag der UN den Gaza-Krieg untersucht und dabei schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. Jetzt hat er den Bericht zurückgezogen: "Wenn ich damals gewusst hätte, was ich jetzt weiß" , so Goldstone, "dann wäre der Bericht ein anderes Dokument geworden." Die Terror-Gruppe Hamas interessiert das natürlich nicht: "Dieser Bericht beruht auf Fakten und der dokumentierten Arbeit von Menschenrechtsorganisationen", so ein Hamas-Sprecher. Es ist die gleiche Auffassung von Wahrheit, die sich durch dieses Buch zieht: Solange ein Jude in der Nähe ist, braucht man nicht weiter nach Schuldigen zu suchen. Erich Sauer
Moustafa Bayoumi (Hg.): Mitternacht auf der Mavi Marmara. Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille. Aus dem Englischen von Sigrid Langhäuser. Laika, Hamburg 2011, 361 S., 19,90
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