DIALEKET & LACHEN
Durchfall und Unterschied Herr Wischmann & Herr Tegtmeier Geschützt durch einen guten Geschmack und einen leidlich schlechten Radioempfang, konnte ich "ffn"s "Frühstyx Radio" meistens erfolgreich aus dem Weg gehen. Die frühkindliche Schwärmerei "Kult!" überließ ich der Konkurrenz, das alklug-professorale "Na ja, manches ist nicht schlecht..." unserem WING. Genau der drückte mir auch eine CD namens "Obi et Orbi" in die Hand, auf der Dietmar Wischmeyer seine Kunst-Figur Willi Deutschmann in 26 Sketchen gassiführt. Ich fand Wischmeyers "Kleinen Tierfreund" schon immer mau, seinen Treckerfahrer albern - aber das hier? Das ist noch müder als "Happiness", die einzige Comedy-Show, bei der man ohne Spaßverlust den Ton auch wegdrehen kann. Wischmeyers Gebrabbel enthält alle Falschheiten und Dümmlichkeiten, die sich über seine Comedy-Generation sagen lassen: Dialekt als Pointenersatz, Geschmacklosigkeiten (die gar keine sind, sondern nur Wischmeyers Tabu-Horizont präzise umreißen) statt Einfälle, Sprachfehler als Witzbeschleuniger; dagegen war "Tutti Frutti" politisches Kabarett. Richtig frech daran ist nicht nur, daß für derlei Lärmbelästigung auch noch Geld verlangt wird, sondern daß Wischmeyer diesen Raucherbein-Humor auch noch gewertet wissen will: Seine Figur Willi Deutschmann sei "der Typus Nachbar, den man sofort gegen drei Jahre Durchfall eintauschen würde - das Zerrbild des Deutschen schlechthin", was doppelt falsch ist: der richtige Deutsche hat morgens Durchfall, verprügelt dafür nachmittags ein paar Neger und hört abends Wischmeyer. Überhaupt sind ja die ganzen Dialekt-Helden des Kabaretts eher konservativ ausgerichtet; wer dem kleinen Mann zu lange aufs Maul schaut, hat irgendwann auch Teile von dessen Hirnfüllung. Das war bei dem Über-Vater der Dialekt-Komiker nicht anders: Jürgen von Mangers "Tegtmeier" war als Figur oft nichts anderes als der rasende Kleinbürger, was im Ruhrpott-Dialekt netter klingt, als es eigentlich ist. Was er aber allen seinen Nachfolgern voraus hatte, war die enorme Bandbreite der Figur: Herr Tegtmeier konnte ja nicht nur Alltagsbeobachtungen mitteilen, er konnte Wilhelm Tell nacherzählen, auf Reisen gehen, als HiWi-Germane am Zelt des Zenturios stehen oder einfach nur eine Festrede zur Einweihung des neuen Einkaufszetrums halten. Diese Variationsbreite hat keiner seiner Nachfolger auch nur annähernd erreicht; Herbert Knebel zum Beispiel spielt schon seit fünf Jahren den gleichen Sketch. Jürgen von Manger war nicht Tegtmeier, aber er war zweifellos ein konservativer Mensch (der später Werbung für FDP machte, die damals allerdings noch linker war). Dat soll mir erst mal einer nachmachen heißt das leider schlecht geschriebene Buch des Manger-Fans Peter Schütze, der manchmal unfreiwillig so klingt wie Tegtmeier. Auch eine "soziolinguistische Analyse" von Tegtmeiers Sprache ist nicht unbedingt das, was uns weiterhilft. Schon eher der zitierte Tegtmeier-Satz in der Einleitung: "Dat viele Menschen gibt, die viele Sachen verwechseln tun, zum Beispiel die Unterschiede" - jau. Weshalb wir auch Herbert Knebel, Helge Schneider, Piet Klocke und Dietmar Wischmeyer durchaus in der Tradition von Tegtmeier sehen; aber nich' verwechseln tun. Victor Lachner
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Willi Deutschmann: Obi et Orbi Frühstyx Radio/Rough Trade Peter Schütze / Mirjam von Jankó (Hg): Dat soll mir erst mal einer nachmachen Adolf Tegmeier und Jürgen von Manger. Klartext, Essen 1998, 176 S., 29,80 DM |