REPORTAGEN
Rascheln wie Seide Was Curzio Malaparte für die Zeitungen schrieb Wer auch immer heute ein Buch von Curzio Malaparte auflegt, meint, sich im Vorwort erstmal für den Autor entschuldigen zu müssen. Der war nämlich nicht nur ein glänzender Romancier und Dandy und mutiger Mann, er war auch mal vorübergehend Mitglied bei den italienischen Faschisten. Er ist im Laufe seines Lebens allerdings erheblich länger von Mussolini verfolgt worden als dass er in dessen Partei mitgetan hätte. Jobst Welge entledigt sich als Herausgeber der üblichen Distanzierungsaufgabe recht elegant, bevor er begründet, wie und warum er die Texte für den Band Curzio Malaparte - Zwischen Erdbeben auswählte. Darin sind Reisereportagen der 20er und 30er Jahre, aus England, Frankreich, Finnland, Griechenland und Russland. Und: sie sind nicht besonders gut. Was in Malapartes journalistischen Romanen Kaputt und Die Haut Bestandteil der Komposition ist, das selbstverliebte Sprachfunkeln, das essayistische und manchmal inhaltsleere Kreisen um einen gesuchten ästhetischen Ausdruck, wird in den Reportagen zum öden Selbstzweck. Die vage Einordnung der Texte durch den Herausgeber tut ein Übriges, dass man distanziert vor Malapartes Beobachtungen steht - eine Haltung, die bei seinen Romanen, die zum Teil an den gleichen Schauplätzen spielen, völlig unmöglich ist. Trotz immer wieder glänzender Formulierungen ("Edward, der Prinz von Wales, war in gewisser Weise der Initiator und die treibende Kraft dieser Art von Opposition geworden, die sich wie ein Rascheln von Seide und ein Klirren von Gläsern hinter den Kulissen des viktorianischen Zeitalters umtrieb") ist das alles sehr weit weg. Der finnische Winter, die griechische Luft, das post-viktorianische Albion - das geht heute so nicht mehr. In den Romanen bricht Malaparte tragische Passagen durch zynische Dialoge auf und verstärkt so die Wirkung. In seinen Essays und Reportagen fehlt ihm dieses Kontrastmittel. Der Verlag hat das alles ehrfürchtig zwischen die Buchdeckel der "Anderen Bibliothek" gepackt, um Bruce Chatwins Text "Die Casa Malaparte" ergänzt und die Texte - nein: nicht einfach übersetzen lassen. Das Haus teilt mit: "Die Übersetzung lag in den Händen von Michael von Killisch-Horn." Man hat den Eindruck: Vor lauter Ehrfurcht haben sie das zweite "von" sicherheitshalber dazuerfunden. Thomas Friedrich
Curzio Malaparte: Zwischen Erdbeben. Streifzüge eines europäischen Exzentrikers. Ausgewählt und mit einer Einleitung von Jobst Welge, mit einer Zeittafel und Bruce Chatwins Text 'Die Casa Malaparte' Übersetzt von Michael von Killisch-Horn. Die Andere Bibliothek Bd. 267, mit zahlr. Abb., 363 S., Halbschuber mit Lesebändchen. 30,- |