LEHRBUCH

Geht doch!

Hitzeblick und Heisenberg: Wie man mit Superhelden Physik erklärt

James Kakalios gehört zu jener unverantwortlichen Bande amerikanischer Lehrer, die es sich partout nicht nehmen läßt, Wissen unterhaltsam zu vermitteln (ein Ansatz, der in Deutschland unter Strafe zu stehen scheint).
Kakalios ist nicht nur Physiker (an der Uni von Minnesota) sondern auch Fan von Superhelden wie Batman, Atom, Superman, Storm, Flash... so ziemlich alles, was die einschlägigen US-Verlage DC Comics und Marvel je herausbrachten, scheint Kakalios bekannt und vertraut zu sein. Vage angelehnt an das Buch All I Really Need To Know I Learned From Watching Star Trek (Alles, was ich im Leben wirklich brauche, habe ich von Star Trek gelernt ) von Dave Marinaccio, hält Kakalios seit Jahren Einführungs-Vorlesungen unter dem Titel "Alles was ich über Naturwissenschaften weiss, habe ich aus den Comics gelernt". Das Buch Physik der Superhelden ist eine Art Zusammenfassung dieser Vorlesungen
Gut geordnet in die drei Teile "Mechanik", "Energie" und "Moderne Physik" geht es - natürlich - auch um die Geschichte der Superhelden und der Comics. Aber vorwiegend bietet Kakalios eine grundsolide Einführung in die Physik. Der lernwillige Comic-Fan bekommt erzählt, warum Spider-Man den Sturz seiner Freundin keineswegs so abrupt hätte beenden dürfen, warum der miniaturisierte "Ant-Man", auf Ameisengröße geschrumpft, wahrscheinlich nichts mehr hören und bestimmt so gut wie nichts mehr sehen kann, er erklärt nebenbei die drei Gesetze der Thermodynamik und die Quantenmechanik (das macht er exzellent; wer's danach nicht verstanden hat, sollte beim Comiclesen bleiben) und verblüfft immer wieder durch den spielerischen Wechsel zwischen fröhlicher Blödelei und dröger Wissensvermittlung. Dass "Die Unsichtbare" (der Fantastic Four) blind sein müsse, kann er so elegant entkräften wie er beweist, dass Angel (von den X Men) mit Sicherheit seine Flügel nicht zum Fliegen benutzt.
Es geht um Drehmomente in der Mechanik ("Stellen Sie bitte das Gebäude sofort wieder hin!" - warum Superman keine Hochhäuser transportieren sollte), Reibungswärme (Flash müsste eigentlich verglühen, wenn er Gas gibt) und warum Thor sich tatsächlich an seinem eigenen Hammer Mjölnir durch die Luft schleudern kann.
Auch wenn er sich als glühender Fan noch der abstrusesten Comic-Serien gibt: in Wahrheit geht es Kakalios nur darum, Beispiele aus der Alltagskultur zu finden, die das Erlernen der damit verbundenen Naturgesetze erleichtern. Er will nicht wirklich erklären, warum Kitty Pride nicht durch Wände gehen kann (und wenn, sollte sie es möglichst schnell tun). Aber was der "Tunneleffekt" ist und warum es spannend ist, über solche Phänomene nachzudenken - dies zu vermitteln, meint Kakalios, sei die Aufabe eines guten Lehrers. Das meint übrigens auch Lawrence M. Krauss in seinem Vorwort zur Physik der Superhelden. Krauss hatte vor 10 Jahren ein Buch über die "Physik bei Star Trek" verfasst, das einen ähnlichen Ansatz verfolgte.
Für die deutsche Ausgabe hat der Verlag die diversen Comic-Beispiele nicht neu gelettert, aber immerhin im Anhang neu übersetzt. Kakalios selbst liefert einen bemerkenswerten Anmerkungsapparat, ergänzende Literatur und ein Register.
Physik der Superhelden sieht nur aus wie der Partyscherz eines fröhlichen Dozenten. Es ist in Wahrheit ein gut organisiertes Lehrbuch. Das merkt man leider auch am Preis.
Erich Sauer
James Kakalios: Physik der Superhelden Aus dem Amerikanischen von Doris Gerstner und Christoph Hahn. Rogner & Bernhard, Hamburg 2006, nur bei Zweitausendeins, 60381 Frankfurt, Postfach, 471 S., mit zahlr. sw-Abb., 29,90 ISBN: 3807710183