GEDICHTE Mit Hand & Vers Ein Jahrhundert der politischen Poesie Der Ansatz ist ebenso bedenklich wie erfreulich parteiisch in der Ausführung: Joachim Sartorius hat politische Gedichte aus dem ganzen letzten Jahrhundert gesammelt, und in aller Welt fast nur Texte gegen Unterdrückung, für Revolution, über Opfer und Niederlagen gefunden. Sich bejubelnd selbstdichtende Diktatoren von Stalin bis Karadzic deuten nur kurz am Ende von Niemals eine Atempause an, dass der Geist der schönen Worte leider nicht immer auf der Seite der Menschheit steht. Davor begegnen wir in historisch sortierten Kapiteln dem Völkermord in Armenien, dem Weltkrieg, der russischen Revolution, dem spanischen Bürgerkrieg, und später auch Afrika, Asien, dem nahen Osten und Bosnien. Eine so umfangreiche und weitgespannte Übersicht gab es bisher noch nicht, und es macht sie nicht kleiner, dass sie die Siegertrompeten weglässt. Zwar zogen noch im Ersten Weltkrieg Dichter singend an allen Fronten auf, aber sehr bald zerschoss die Wirklichkeit ihr Wortgeklingel. Die dann vereinzelten, oft verzweifelten Gedichte werden in dieser Sammlung zu einem Geschichtsbuch des unsicheren Widerstands. Einerseits streng persönlich und andererseits trotzig allgemeingültig gestalteten Texte beeindrucken besonders, weil Sartorius von den Klassikern nicht den Kanon zitiert und von den über hundert Autoren die meisten in Deutschland ganz unbekannt sind. So kommt von Paul Celan Oder einem von Günter Grass. Dessen späterer Angriff auf atomare Erstschlagspläne Israels fällt nicht nur zeitlich aus der Sphäre der hier gemeinten politischen Poesie. Wing
Joachim Sartorius (Hg.): Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 348 S., 22,9
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