KRIMI

Tatort Kirchturm

Lokale Krimis und die große Welt

Sie machen alle dasselbe - und zur Zeit so häufig, daß es sich fahndungstheoretisch fast schon um ein Phänomen handelt - wohinter jeder Drittklässler auf der Kommissar-Schule ein neues Verbrechen vermutet: bodennahe Kriminalromane aus dem Hinterland spielen gerne zu weltbewegenden Zeiten. Und sind auch sonst so übervoll von Weltläufigkeiten, als wollten die Autoren unbedingt beweisen, daß sie es eigentlich eher unterfordert, nur Nachbars Dreck zu kehren. Das Fenster zur Straße zum Beispiel, das Debüt des Indie-Musi-Journalisten Albert Wiedenhöfer, spielt in der Kölner Südstadt , exakt zur Zeit des ersten Golfkriegs und erstmal bloß rund um einen totgeschlagenen Penner. Aber dann doch auch mit der Straßenkämpfer-Vergangenheit des halbjungen Helden à und der Volkssturm-Vergangenheit seines Wohnorts. Großes und Kleines, eitle Anspielung und erlebte Atmosphäre fügen sich nach einigem Spreizen dann doch zu einem erstaunlichen Porträt durchaus echter Menschen beim richtigen Leben.
Der Minister und das Mädchen endet dagegen eher ambitionslos am Abend der letzten Bundestagswahl. Vor dem Fernseher in Münster erkennt der Held, Jürgen Kehrers Dauerdetektiv Georg Wilsberg, daß sich auch unter Rotgrün im Grunde nichts ändern werde - und legt einen Fall zu den Akten, der zum 11. mal mit den wenigen Münsteraner Pfründen spielt, die kriminell auswertbar sind: Honoratioren und Studenten. Diesmal soll ein Politikersöhnchen eine Studentin vergewaltigt haben, was den Papa am Ministerwerden hindert. Es war aber natürlich alles anders - und ist im Grunde immer dasselbe: viel Kehrer, wenig echter Dreck. Das dünne Buch mußte eben noch zur Wahl fertig werden.
Eifel-Jagd schließlich enthält die Welt eher undatierbar (Hirschsaison 98), dafür aber knüppeldick: Finanzamt, Zoll, BKA, pensionierte Kriminaler, Präzisions-Förster und der Held brettern eifelauf eifelab, man lernt allerlei, auch unangenehmes, über das Jagdwesen, besucht den Bauskandal um Adenauers Ferienhaus - und behält am Ende nur, daß Held und Autor (Jacques Berndorf) scheinbar mal wieder einen Frauenwechsel vorbereiten. Dann immer nämlich fallen dem einen besonders viele Natur-Schilderungen zu den Leichenfunden ein - und der andere vergißt manchmal, die Markennamen seiner vielen Pfeifen und Tabake zu erwähnen. Trotzdem ist dieser 7. der dickste aller Eifel-Krimis bisher, nach Seiten.
WING
Albert Wiedenhöfer: Das Fenster zur Straße Bergisch-Gladbach: Bastei Lübbe 1998 [14170], 318 S., DM 12.90
Jürgen Kehrer: Der Minister und das Mädchen Dortmund: Grafit 1998 [216], 157 S., DM 14.80
Jacques Berndorf: Eifel-Jagd. Dortmund: Grafit 1998 [217], 335 S., DM 16.80