IM KOMA

Stirb langsam

Umberto Eco läßt einen alten Antiquar verenden

Der Ich-Erzähler wacht im Krankenhaus auf und hat sich vergessen. Er weiß, wann Napoleoin starb und wann die erste Shakespeare-Ausgabe erschien, aber wie man sich die Zähne putzt, wer seine Eltern waren und warum er seit 30 Jahren mit der selben Frau verheiratet ist, hat er vergessen.
Nach ein paar unterhaltsamen Anekdoten darüber, was ein Mann noch ist, der nicht weiß, ob er noch mit seiner Frau schläft und ob er mit seiner süßen Antiquariats-Angestellten Sibilla ein Verhältnis hatte oder nicht, zieht sich der 60jährige aufs Land zurück und durchwühlt im Haus seiner Kindheit alte Kartons nach Hinweisen auf sich selbst. Das wird 300 Seiten dauern.
Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana ist eine ermüdende Kopfgeburt, die pointenlose Spurensuche eines Mannes, über den man nach 50 Seiten das geniale Diktum Reich-Ranickis verhängen möchte: "Das intärässiert mich nicht!" Allenfalls italienische Spurensucher mögen ihren Spaß daran haben, all die Quellen aufzudecken, die Eco für seinen illustrierten Roman benutzt hat, in dem seitenweise alte Comics, Filmzeitschriften und Inserate abgedruckt sind und in dem es zur Hälfte um italienische Innenpolitik seit 1932 geht. Es gibt zwar einen Quellenapparat, aber der gibt nur die offensichtlich benutzten Originale an, die vielen Anspielungen und Zitatfetzen (Wie ist dein Name? - "Nennt mich ... Ismael") muss man schon selbst entdecken.
Es gibt zwei Pointen: obwohl der alte Antiquar sich zunächst über die Hochkultur, von Dante bis Pirandello, wiederzufinden sucht, dringt er erst über die Comics, die Trivialliteratur und alten Tageszeitungen wirklich in seine Kindheit vor (dabei ist Eco eine bemerkenswerte Schlamperei unterlaufen: der Comic "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana" bringt in der Erinnerung sein Innerstes mehrfach zum Glühen; dass es sich dabei um eine Variation eines recht berühmten Haggard-Romanes handelt, ist ihm anscheinend entgangen). Und: er kommt einer Jugendliebe auf die Spur, einer damals 16jährigen, die er brennend verehrt hat. Dass er diese Liebe nie verwirklichen konnte, bricht ihm letztlich das Herz. Immerhin: Eco ist Ironiker genug, aus diesem arg abgenutzten Klischee keine Sentimentalität entstehen zu lassen. Nur Langeweile.
Victor Lachner
Umberto Eco: Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana. Illustrierter Roman. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser, München 2004, 508 S., 25,90 ISBN: 3446205276