PARTEISOLDAT

Flausen

Tobias Haberl schleicht sich bei den LINKEN ein

Solche Bücher kommen immer zu spät. Dieses etwas über ein Jahr. Im Sommer 2010 verließ Tobias Haberl die Links-Partei, nachdem er etwa ein Jahr lang undercover beim Klassenfeind Plakate klebte, Protokolle tippte, 770 Euro Mitgliedsbeitrag zahlte und einmal mit Sahra Wagenknecht im Auto saß. "Klassenfeind" sagt nicht Haberl, gut verdienender SZ-Redakteur, sondern sein Ex-Ortsverband der Linken in München, wo sich einige von der Unterwanderung düpiert fühlen. Dabei wollte das über den Daumen linksliberale Bürgersöhnchen, das bisher nie ernste Sorgen oder politische Ziele hatte, einfach mal gucken, was das denn für eine Partei sei.

Und er fand heraus: Eine ganz Normale. Da gibt es Apparatschiks und glühende Mitläufer, wundervolle Menschen, die sich Gedanken machen, weil sie kein Geld haben, und kniepige Rechthaber, die ihrem Vorsitzenden den Bonus nicht gönnen, den sie vorher beschlossen haben. Viel mehr aber erfährt man über Tobias Haberl, der sich ein bisschen arg naiv stellt, um mal so richtig auf die Realität zu treffen. Und sich für seine Prada-Jeans auf der Parteiversammlung schämt.

Der Klappentext "Bürgersohn trifft dogmatische Linke" verfehlt dagegen völlig das Buch. Haberl trifft richtige Leute, keine Dogmatiker, und im Grunde scheinen ihm die Linken liebenswert und ehrenhaft. Wenn sie nur außer der sozialen Frage noch ein paar Themen hätten und nicht immerzu sein vom Vater ererbtes Geld in staatliche Freiheitsprojekte investieren wollten.

Sechs Monate lang hielt Haberl auch nach seinem Outing als Journalist ohne echtes linkes Gewissen noch in der Partei durch. Dann trat er aus und gab wieder, wie er stolz selbstironisch schreibt, viel zu viel Geld für Fenchelsalami am Viktualienmarkt aus. Die Partei ist ihm nicht näher gekommen, aber die anderen Parteien sind ihm ferner geworden denn je. Das geht, guckt man auf die Wahlbeteiligungen seitdem, den Meisten so.

Wing
Tobias Haberl: Wie ich mal rot wurde. Mein Jahr in der Linkspartei. Luchterhand, München 2011, 253 S., 14,99