THRILLER
Frühe X-Files Don DeLillos 70er-Version einer Verschwörung Vietnam war gelaufen. Die US-Army - im Felde unbesiegt - kehrte schmachvoll nach Hause zurück. Der Präsident war gerade dabei erwischt worden, wie er beim politischen Gegner einbrechen ließ und weigerte sich außerdem, kilometerlange Tonbandprotokolle auszuliefern, die er heimlich im Weißen Haus hatte anfertigen lassen. Francis Ford Coppola drehte einen feinen kleinen Film namens Der Dialog, der von Abhör-Allgewalt, Verschwörung und Paranoia erzählt. Und Don DeLillo schreibt den Roman Bluthunde (im Original: Running Dog), in dem mindestens drei Verschwörungen paralell und aufeinander zu laufen. Die eine hat etwas mit einem Senatsausschuss zu tun, die zweite mit einer geheimen Geheimagentur, die außer Kontrolle geraten ist, die dritte mit einem angeblichen Porno-Film aus dem Führerbunker: Hohe Nazis - vielleicht der Führer selbst - sollen wilde Orgien veranstaltet haben, während schon die Bomben auf Berlin fielen. Erst gegen Ende des Romans, der 1978 in den USA erschien, gibt DeLillo seinen Figuren eine Art Eigenleben. Vorher gehen sie ohne nennenswertes Innenleben durch die Geschichte, jede ihrer Profession folgend: Die Journalistin fragt, der Agent intrigiert, der Chef zieht die Fäden, der Senator sichert sich ab, der Erotomane verhandelt wegen der Filmkopie. Es ist verwirrend, vieles deutet DeLillo nur an. Aber das ist der Clou. Als schließlich die Geheimnisse offenbar werden, stehen sie in schauderlicher Banalität vor dem Leser. Nach der Vorführung des Filmchens aus dem Führerbunker - der ganz etwas anderes, genial Trauriges enthält - stöhnt der Erotomane: Wer will das sehen, wozu ist das gut? Die große Verschwörung gibt es, aber sie hat nur sich selbst zum Inhalt. Daran sterben Menschen, deshalb werden Schicksale zerstört. Ermüdet geben die Helden auf. Immerhin, der 61jährige Senator darf eine 20jährige Praktikantin (!) heiraten, um seine erotischen Gelüste noch einmal voll auskosten zu können. DeLillos Thriller ist gleichermaßen zynisch und menschlich. Er gibt den meisten seiner Figuren am Ende ihr Leben wieder, aber nur, weil das große Spiel an ihnen vorbeiläuft. Das Spiel heißt "Ich will Macht!" und ist sterbenslangweilig. Nebenbei: löblich, dass der Roman jetzt auf Deutsch erscheint. Aber ließ sich das unter 42,- DM nicht machen? Thomas Friedrich
|
Don DeLillo: Bluthunde Aus dem Amerikanischen von Matthias Müller. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999, 335 S., 42,- DM |