KAMINSKY

Liebermans Serie

Stewart Kaminsky hat einen neuen Helden - und diesmal ist es fast ein Loser

Stewart Kaminsky war mal Professor für Film. Und schrieb mal eine ellenlange lustige Krimi-Serie über den filmreifen Privatdetektiv Toby Peters im Hollywood der Glanzzeit. Die ging leider trotz Fach-Erfolgs an wechselnden Übersetzern zugrunde (bei Heyne). Dann schrieb er eine kürzere Serie mit einem aufrechten Sowjet-Kommissar hinter dem größeren Gorki-Park-Erfolg Cruz-Smiths her. Und kriegte für seinen Inspektor Rostinkow mehr Kritiker-Lob als Leser (bei Heyne). Jetzt versucht er es mit einem cholesteringeplagten jüdischen Bullen kurz vor der Pensionierung (bei Ullstein).
Und gleich im ersten Band (Liebermans Juwel) steht ein erstes Kapitel, das deutlich besser ist als der Anfang von Absolute Power (der Film von Clint Eastwood, das Buch von Baldacci). Aber schon vorher den selben Plot hatte: alternder, malender Einbrecher überrascht Oberklassentypen beim Umbringen seiner Geliebten. Die Copyrightfragen ergäben glatt einen Thriller, Liebermans Juwel aber unterläuft frech holpernd sogar einfachste Krimi-Standards. Gleich drei Fälle passieren unverbunden nebeneinadner her, und die privaten Probleme des ermittelnden Bullen (Abe Lieberman) sind wichtiger als die Wahrheit. Was nicht nur unter Talmud-Kennern zu spannenden Irritationen führt. Alle richtig Bösen werden zwar erwischt, und der Dieb vom Anfang (Originaltitel Liebermans Thief) hilft den Cops sogar beim nebensächlichen Showdown - aber Stewart Kaminskys Liebe gilt den Pausen-Szenen im Deli.
Der zweite Band (Liebermans Gesetz) beginnt mit einer komplizierten Schießerei im Palästina der 70er. Israelis machen Fehler, Araber und Israelis sterben - und alles ist nur Vorspiel und Rahmen für eine komplizierte Intrige in Liebermans Revier heute. Und mehrere andere, wieder nur beiläufig verbundene, Kriminal- und Sozialgeschichten. Ob islamistische Studenten als Skinheads getarnt eine Thora stehlen, um Zwietracht unter ihre Feinde zu säen - ob ein chinesischer Mafiosi Liebermans Partner freundlich von einer Mischehe abrät, ob die frisch geschiedene Tochter zur Selbstverwirklichung die Kinder bei Opa abstellt - und später einen Schwarzen heiratet ... Zusammenhanglosigkeit und Zufall werden zum Strukturprinzip - und der Gegensatz von meist jüngeren Leuten, die genau wissen was richtig ist und dafür über Leichen gehen - und beharrlich enttäuschten Männern jenseits der 50, die für ein gutes Pastrami-Sandwich und die menschliche Sache sogar an ihren eigenen Gesetzen vorbeigehen. Ganz ohne Zynismus, oder, wie die Washington Post schrieb, "weise, trotz ihrer Schwächen - und schwach, trotz ihrer Weisheit."
Liebermans Gesetz ist langsamer, ernster, ausdrücklich gedankenvoller als das Juwel (einmal grübelt ein Attentäter über Rache als kosmisches Prinzip und Steven Hawkings Schwarze Löcher), es ist auch weniger elegant gebaut (der Rahmen ersetzt den Plot), aber in den Pausen ist es immer noch humorvoll und wärmend. Wie ein Kaffe mit deinem Partner, aus der Mikrowelle im Imbiß morgens um 4, wenn du weißt, daß die Kinder im Bett sind. Und der Fall noch einen Schluck warten kann.
WING
Stewart Kaminsky: Liebermans Juwel / Liebermans Gesetz. Aus dem Amerikanischen von Siegfried Wevering. Berlin: Ullstein 1997, 256 / 384 S., 12.90 / 14.90 DM