LENIN & LIEBE
Revolution des Kaisers Der Imperialismus hat den Bolschewismus finanziert Sein Geld verdient Michael Molsner mit Krimis, er schreibt für Radio, Fernsehen und den Buchmarkt, er kriegt regelmässig Krimi-Preise - aber für sein wichtigstes Thema musste er sich jetzt nach jahrelanger Recherche einen winzigen Verlag suchen. Um alles in der Welt handelt davon, wie das Deutsche Reich Lenins Sowjet-Revolution finanziert, damit an der Ostfront Ruhe ist. Das ist nicht neu, aber das ist auch nicht sehr bekannt. Es passt für die einen nicht zur romantischen Legende vom Aufstand der Unterdrückten, und es passt dem Kapital schon gar nicht, dass es für Hitler und Stalin zugleich verantwortlich ist. Naja, vielleicht war es auch eher die rechte Sozialdemokratie, die sich 1915 von einem luxurierenden Salon-Marxisten einreden ließ, etwas Geld gegen ein bißchen Frieden zu tauschen. Was genau vorging, steht in den Akten, wie es gewesen sein könnte, erfindet Molsner als Liebesgeschichte. Ein Student und eine Bar-Sängerin finden sich in Schwabing, wo jeden Abend Revolution ist, zu Kunst, Sex und Politik ein. Und treffen sich über die Jahre immer wieder, fast immer auf entgegengesetzten Seiten, häufig im selben Bett. Der Student wird Diplomat und Geheimdienstler, die Sängerin wird Lenins Pressesprecherin. Beide machen private und politische Pläne, keiner davon gelingt, und man kann sich beim Diner oder auf den Barrikaden um Strategie und Taktik streiten. Ob man die schlimmen Deutschen (Ludendorff etc.) am besten stoppt, wenn man die guten Russen nicht zu erfolgreich werden lässt. Ob man die Räterepublik abschaffen muss, bevor sie Noske niederkartätscht. Die komplizierten Machtspiele der Linken, die taktischen Fehler der Rechten, die wechselseitige Unterwanderung, die ehrlichen, und unübersichtlichen Aktionen der Avantgarde ... Dada, Waffenhandel, Aussenpolitik, alles geht durcheinander. Und auf jeder Seite will man zum Lexikon greifen, ja man muß es. Das zerstört den Lesefluss, aber als Roman taugt Um alles in der Welt eh weniger. Als Anregung, nicht alles zu glauben, was einem einleuchtend erscheint, jedoch umso mehr. WING
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Michael Molsner: Um alles in der Welt Oktober-Verlag, Münster 2002, 295 S., 20.00 EU |