BEAMTE

Lüstlinge

Zwei Bücher über zwei miese Lehrer

Noch nie habe ich zwei sich so ähnelnde Romane hintereinander gelesen. Da ist die Versuchung groß, die Rezension einfach als Vergleichstabelle anzulegen. Aber eins nach dem andern; in Lehrerbuch Nr. 1, Jakob Arjounis Hausaufgaben, gibt es Impressionen aus dem maroden Leben des Deutschlehrers Joachim Linde. Seine 18-jährige Tochter Martina verachtet ihn, sie ist von zu Hause ausgerissen. Seine Frau Ingrid ist geisteskrank und extrem labil, während Sohn Pablo ihn mit seiner Verklemmtheit in Sachen Frauen nervt. Seltsamer Typ, denkt man sich.
Erst nach und nach wird klar, was für ein Perversling das ist. In Rückblenden erfährt man, wie Linde seiner Tochter subtil nachstellte und sie so vertrieb. Durch den ganzen Roman zieht sich das Thema der Schuldverleugnung, obwohl es keinen Ich-Erzähler gibt, liest sich jeder Satz wie von Linde selbst geschrieben, dieses sich aus der Verantwortung stehlen und alles als lächerliche Lapalie darstellen, kann nur der Schuldige selbst. Die Geschichte erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, was für Arjounis intelligente Schreibweise spricht. Indem er den Lehrer nur beim Nachnamen nennt, zeigt er den Ekel, den er selbst seinem Protagonisten gegenüber empfindet.
Der Lehrer in Im Gehege, dem Buch von Martina Borger und Maria Straub, ist längst nicht so pervers, allerdings ist auch sein Verantwortungsgefühl gleich Null. Jon Ewermann unterrichtet Latein und Deutsch an einem Hamburger Gymnasium, wo er sich unsterblich in die hübsche Kunstlehrerin Julie verliebt. Als seine Frau sich mit einem Sturz das Genick bricht, kommt ihm das sehr gelegen. Auch nach einem versehentlichen Mord, der ihm eigentlich nahegehen müsste, beschäftigt ihn lediglich die Entsorgung der Leiche. Mit Julie im Arm und einem üppigen Nachlass genießt er in Südfrankreich das Dolce Vita, es folgt eine turbulente Klassenfahrt und ein ebenso überraschendes wie verdientes Ende.
So richtig überzeugt Im Gehege trotz einiger guter Passagen nicht. Zu stereotyp wird der Oberstudienrat als kultivierter und gesundheitsbewusster Besserverdiener mit Schattenseiten dargestellt. Da helfen auch Gernhardt-Zitate und Harald-Schmidt-Folgen als Anbiederung an ein gebildetes Publikum nichts. Immerhin - Im Gehege hat einen weit weniger bitteren Nachgeschmack als Hausaufgaben.
Michaela Sommer
Jakob Arjouni: Hausaufgaben Diogenes, Zürich 2004, 189 S., 17,90 ISBN: 325706442X
Borger & Straub: Im Gehege. Diogenes, Zürich 2004, 377 S., 19,90 ISBN: 3257064446