URSULA K. LE GUIN

Utopischer Grundbesitz

Der »Planet der Habenichtse« wird wiederentdeckt

Eigentlich ist der Planet ja ein Mond, der vor 25 Jahren um einen fernen Planeten kreiste, irgendwo am Rande der Galaxis Gedankenreich, die Leute wie LeGuin gerade erst erschlossen hatten.
Bzw. Frauen wie Ursula Kroeber LeGuin - denn in den 70ern brachen erstmals "weibliche Ansichten" mit Macht ins Männer-Genre Science Fiction ein, wurden Raumschiffe zu Ideologie-Transportern, Abenteuer zu Sinn-Spielen ... und manchmal wurde sogar der typisch-langweilige "utopische Roman" als anregender Gedankenversuch neu geschrieben. Als Planet der Habenichtse eben, eine Geschichte diverser Staatsformen auf einem anarchisch-syndikalistisch besiedelten Mond, einem Planeten voller Kapitalisten und Zentral-Kommunisten darunter, und einer beobachtenden Galaxis voller gütiger Aliens und ermüdeter Erdlinge drumrum.
Ein älterer Physiker vom Mond will seine offensichtlich didaktisch gemeinte "alles ist gleichzeitig"-Weltformel noch etwas überarbeiten und reist zum Klassenfeind, mit den besseren Computern. Und den klaffenden sozialen Fragen. Gleichzeitig erzählt LeGuin - und die Cross-Cuts beleben das Traktat-Gerüst erheblich - von seiner Jugend, von Problemen mit dem Kollektiv, den Preisen der Freiheit. Jedes System kriegt Lob und Tadel ab, das Herz pocht für eine Art besitzloses Mao-Kuba, sexuelle Befreiung wird en passant erledigt, feministische Linguistik zwischen den Zeilen erfunden und begraben ... und alles ohne Eifer, aber mit Ernst.
LeGuins Revolutions-Buch war 1974 das letzte aus ihrem Hainish-Universum, wo Space-Garn und Studenten-Debatten sich einen Sauerstoffschlauch teilten. Eine große Zeit, Skylab startet, Watergate platzt ... aber dann kam Maggie Thatcher an die Macht, Harrisburg wurde undicht und die 80er übernahmen.
Zum 70. Geburtstag der Autorin bringt der Argument Verlag The Dispossessed (O-Titel) in seiner Reihe Ariadne - Social Fantasy als Neuübersetzung noch einmal heraus. Das ist nur zu loben. Leider wird dabei das eigentlich nötige Nachwort durch einen Klappentext ersetzt, der die "Erfindung eines interstellaren Internets" als Köder auswirft. Das führt irre: der Kommunikationsteil ist der schwächste des Buches, und das Netz kommt schon gar nicht vor.
WING
Ursula K. Le Guin: Planet der Habenichtse. Aus dem Englischen von Hiltrud Bontrup. Argument, Hamburg 1999, Ariadne-SF Nr. 2043, 367 S., 24.80 DM ISBN: 3886199436

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