URSULA K. LE GUIN
Omas Universum
Ein neuer und drei alte Romane der Grande Dame der Galaxis
Sie kennt sich im Inneren eines Subraumkonverters eben so gut aus wie auf den Oberflächen fremder Seelen, sie erobert Welten einfach beim Teetrinken und rührte Raum und Zeit zu einem universumsweiten Pfannekuchen, als wir alle noch aus der Tube träumten. Ursula K. Le Guin, geboren 1929, berühmt geworden in den 60ern, war lange Zeit die einzige Gegenstimme zu brüllenden Raketen oder technoiden Tick-Tack-Männchen. Sie wurde als fiktionale Soziologin in den 70ern an den Unis kanonisiert, in den 80ern dann aufs Märchenregal verschoben ... und erst Ende der 90er von der Frauen-Literatur als Vorläuferin anerkannt und wieder aufgelegt. Derweil schrieb sie immer weiter. Viel Fantasy, etwas Mainstream, und zuletzt wieder Science Fiction: Die Erzähler, mit dem der Heyne-Verlag nun seine Le Guin-Reprise fortsetzt, und Ursula K. den Bogen zurück zu ihren Anfängen schlägt.
Jetzt wie 1966 in Rocannons Welt bricht eine junge Frau aus Liebe zu den Sternen auf - und reisst sich durch die Zeitdilatation der Raumfahrt von ihren Wurzeln. Damals war das eine Legende, die einen Anthropologen von den fernen Zentral-Planeten der Zivilisation herlockte; heute ist sie selbst Anthropologin, Linguistin, die von der Erde nach "Aka" geschickt wird. Von einer Erde, die sich gerade von religiösen Fundamentalisten befreit hat, auf einen Spiegel-Planeten, wo eine Art wissenschaftlicher Fundamentalismus regiert und magische Reste der Ureinwohner-Kultur in die Berge abdrängt. Die Erdfrau gräbt da die Erzähler aus, die das Erbe lebendig halten ... na klar, die Großmutter der amerikanischen Linksintellektuellen kritisiert verkleidet die Ureinwohner-Politik unserer Mächtigen.
Auch aus anderen frühen Romanen Le Guins tauchen Motive wieder in Die Erzähler auf, was sich besonders schön nachschlagen lässt im gerade erschienenen Sammel-Band Hainish; der enthält neben Rocannons Welt noch Das zehnte Jahr und Die Stadt der Illusionen, in denen die gelernte Anthropologin ihr Garn zu spinnen begann. Es gibt die galaxisweite Zivilisation der "Hainish", die vor Urzeiten alles Leben menschenähnlich machten. Nur die Menschen siedelten hier und dort lehrbuchmässig unterschiedliche Soziologie-Modelle an. Und die Schriftstellerin macht das Setting zur Botschaft: wo immer ein Zauber zu wirken scheint, ist eine Bibliothek in der Nähe. Und wer diese verbrennt, schadet jenem.
Durch solche Parabeln führt uns die Erzählerin mit stets bunten, meist klugen und kaum Thesen dozierenden Figuren. Nun ja, im 2000 geschriebenen The Telling (Originaltitel) oft durch bekanntes Gelände, aber dafür immer noch mit richtigen Raumschiffen. Le Guin hat es bisher streng vermieden, ihre SF-Welten mit ihren lange viel erfolgreicheren Fantasy-Werken zu verschmelzen. Da musste erst der Verlag drauf kommen; der druckt nun auf jede Hainish-Wiederveröffentlichung (in bearbeiteteten Neuausgaben, denen nicht anzusehen ist, was da bearbeitet wurde) "von der Autorin des Erdsee-Zyklus". Statt endlich mal eine Bibliotheksausgabe mit Fußnoten und Nachwort zu machen.
WING
|
Ursula K. Le Guin: Die Erzähler Aus dem Amerikanishen von Biggy Winter. Heyne Nr. 6382, München 2002,237 S., 7.95 EU ISBN: 3453188616
Ursula K. Le Guin: Hainish. Drei Romane Aus dem Amerikanischen von Birgit Reß-Bohusch. Heyne Nr. 7035, München 2002, 541 S., 10,- EU ISBN: 3453213475
|