LAUREL CANYON Das Tal des Pop Zu Besuch im Hippie-Villenviertel Am Rande von Los Angeles, in den Hügeln Hollywoods, liegt der Laurel Canyon. Heute ist da nicht mehr viel los, aber 1968 wohnte Joni Mitchell da, Crosby, Stills & Nash sangen in ihrer Küche zum ersten Mal zusammen, Frank Zappa zog gerade nebenan ein und eine neue Zeit begann. Michael Walker hat die Geschichte dieser Musik-Siedlung geschrieben. Am Anfang roch es da oben im Tal nur nach Eukalpytus, später nach Gras und Pot, und dann nach Blut und zerstörten Träumen. Der Laurel Canyon wurde trotzdem nie eine öffentliche Pop-Metropole, wie etwa London, und nie ein anerkanntes Künstler-Viertel, wie Height Ashbury, sondern starb einfach aus. Als Reiseführer zu einer vergessenen Tempel-Landschaft ist Walkers Buch also schon mal gut zu gebrauchen. Immerhin entstanden in der etwas herunter gekommenen Ansammlung alter Häuser einige Jahre lang die wichtigsten Songs der Welt - bis der Koks kam und das Heroin, und der Punk. Das beschreibt Walker in vielen Episoden anschaulich, als wäre er selbst dabei gewesen. Wie genau aber die abseitige Geburt des Musik-Wunders, seine unabhängige Etablierung und die Selbstzerfleischung in Erfolg und leistungssteigerndem Drogen-Konsum vor sich ging, dass muss er sich meist von Interview-Partnern aus dem Hinterland erzählen lassen. Walker hat eben nicht mit Joni Mitchell oder Frank Zappa geredet, sondern mit dem Wirt der Eckkneipe oder einer Label-Mitarbeiterin, die damals die Koks-Briefchen zu den Platten-Verträgen legen musste. So mischt sich viel Wehmut nach den guten alten Räucherstäbchentagen mit sehr viel Nachbarschaftsklatsch von Mamma Cass bis zu den Wonderland-Morden. Walker erzählt, wie einmal die Byrds auf dem Weg nach Hause von einer Welt-Tournee einen umgestürzten Baum von der Strasse zerren mussten - was irgendwie das Freie, das Hinterwäldlerische des Canyons illustrieren soll - , aber er erzählt nicht, wieso Zappa immer clean blieb und trotzdem psychedelischere Musik machte als alle anderen zusammen. Er untersucht, sagt er, die kreative Atmosphäre der 60er und 70er, in der Weltruhm und Küchenparty Tür an Tür lagen, aber er findet dabei nichts wirklich Neues heraus. Wer mit dem kalifornischen Mischmasch aus Pop, Country, Rock und Liedermacherei heute nichts mehr anfangen kann, wird Laurel Canyon einfach nur langweilig finden. Wer andersherum "Mr. Tambourine Man" noch von Dylans Original her im Kopf hat, wird schon den ersten Schritt zum Pop und zum Eigenheim für Verrat halten. WING
Michael Walker: Laurel Canyon. Im legendären Tal des Rock 'n' Roll Aus dem Englischen von Bernhard Schmid. Rogner & Bernard, Berlin 2007. 352 S., 22,90
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