TEENIES
Übergriffig Alexa Hennig von Langes Pubertäts-Roman An den Wänden des gelb gestrichenen Flurs prangen zartblaue Aquarelle vom Weihnachtsbasar. Der Vater, zwangsgestört und gefühlsgehemmt, putzt am liebsten im Keller Schuhe, während die hysterische Mutter entweder töpfert oder mit einem Herzinfarkt droht - vor allem dann, wenn sie Dreckshosen sieht oder Rumsmusik hört. Die Schwester Cotsch (17) hat die Angewohnheit, sich auf Autorückbänken oder in Billardspelunken zu tummeln, außerdem zerschlägt sie gerne mal ihre Geige am Türrahmen oder bezeichnet ihren Vater als übergriffig, ein Terminus, den sie von ihrer Therapeutin gelernt hat. Ziemlich desolat also, diese bürgerliche Durchschnitts-Familie, aus der Alexa Hennig von Langes Heldin Lelle stammt. Da ist zum Beispiel der schlacksige Arthur, ein verwahrloster Nachbarsjunge, den ihre Eltern sofort als Stricher eingestuft haben. Lelle verliert ihr Herz an ihn. Bevor es aber zur Erfüllung dieser Liebe kommt, muss die Pubertäts-Protagonistin noch so einige Hürden überwinden. Mit Hilfe der flapsigen Sprache, die treffend den Stil einer 15jährigen wiedergibt, gelingt es Hennig von Lange erstaunlich gut, die (zuweilen schaurig-tragischen) Geschehnisse so zu überzeichnen, dass sie wieder komisch werden. Lelle fühlt sich als Vermittlerin zwischen den Mitgliedern ihrer Familie und trotzdem schuldig. Weshalb sich die Schwester als vernachlässigt bezeichnet, weshalb die Mutter sexuell frustriert ist und weshalb der Vater seine spießigen Rituale vollziehen muss, ergründet Lelle, indem sie die Psycho-Seiten der Teenie-Zeitschrift Mädchen zu Rate zieht. Und weil das nichts werden kann, kommt sie sich selbst auch nicht auf die Spur und leidet bis zum Schluss. Dann springt allerdings Stricher-Arthur ein, und alles wird gut. Hennig von Lange, geboren 1973, gerne auch als Spice-Girl der Literatur bezeichnet, beschreibt in ihrem dritten Roman keine Generation Golf, die marken- und konsumorientiert dahin dümpelt. Im Gegenteil sind ihre Figuren durchaus ernst zu nehmen und auch die Fragen, die sie sich stellen, sind sensibel und nicht banal. Obwohl Lelles alias Alexas Stil, schnell und salopp, uns manchmal davon ablenken will. Julika Pohle
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Alexa Hennig von Lange: Ich habe einfach Glück Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2001. 257 S. , 25,- DM |