Hunger

Land Grabbing

Warum die ärmsten Länder ihre Anbauflächen verpachten

Im Zuge der Finanzkrise 2007 explodierten auch die Lebensmittelpreise (eine Folge davon war der sogenannten Arabische Frühling). Vor allem die Golfstaaten sahen sich einer bedrohlichen Verknappung der Importe ausgesetzt. Weil gleichzeitig Staaten wie Äthiopien fruchtbaren Ackerboden zu Schleuderpreisen anbot (60 Cent pro Hektar und Jahr), kauften sich die Golf-Staaten in großem Stil dort ein. So besucht der italienische Journalist Stefano Liberti in Äthiopien einen holländischen Agraringenieur, der für Saudi-Arabien großflächig und in hochmodernen Anlagen Tomaten, Zucchini, Paprika und Auberginen anbaut - alles für den Export.

Neben der günstigen Pacht sorgen auch die lächerlichen Löhne für gute Profitraten (die Äthiopische Regierung wirbt damit, dass hier die Löhne "unterhalb des afrikanischen Durchschnitts" lägen), sodass inzwischen auch Rosen für Europa und Biosprit für die Welt angebaut wird.

In seinem Buch Landraub - Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus fasst Liberti seine Reportagen zusammen, die ihn zu UN-Konferenzen und in die Börse nach Chicago führten, wo mit Lebensmitteln spekuliert wird. Und er widerlegt das Vorurteil, dass hinter diesem neokolonialen Landraub vor allem Chinesen stünden. Es sind vor allem indische und südkoreanische Produktionsfirmen, die im großen Stil Anbauflächen pachten. Warum die dortige Landwirtschaft davon nicht profitiert und warum derlei Ausverkauf nur in einer gut geschmierten Diktatur funktionieren kann (wie Äthiopien eine ist) und warum der Westen das stillschweigen fördert, sind weitere Kapitel in diesem Buch, das sich einem bisher wenig beachteten Thema auf sehr sachliche, wenn auch engagierte Art nährt.

Erich Sauer

Stefano Liberti: Landraub. Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus. Aus dem Italienischen von Alexander Knaak. Rotbuch, Berlin 2012, 254 S., 19,95