Miniaturwelten

Da müssen wir durch!

Kevin Wilsons erster Band mit verschrobenen Geschichten

Von Kevin Wilson, der mit seinem Roman Die gesammelten Peinlichkeiten unserer Eltern in der Reihenfolge ihrer Erstaufführung einen Erfolg landen konnte, ist nun ein Sammelband mit Texten von 2009 auf Deutsch erschienen. Und die zeigen, dass es nicht immer ein Roman sein muss, um eine Welt zu kreieren.

Elf Texte sind in Das große Schwesternhandbuch versammelt. Geschichten mit bizarren Charakteren und Handlungen. Da ist zum Beispiel eine ältere Frau ohne Familie, die man als Großmutter in die eigene Familie mieten kann. Ganz offiziell über eine Agentur. Oder die Geschichte von dem Zirkus, in dem sich Maximillian Bullet jeden Abend vor Publikum in den Kopf schießt. In "Mortal Kombat" erkennen zwei Außenseiter, dass sie mehr als Freunde füreinander sind, aber daran scheitern, dass sie darüber nicht reden können. In einer anderen Geschichte verlieren zwei Jungen ihre Eltern durch spontane Selbstentzündung. Und dann ist da noch die Geschichte von den drei Jugendlichen, die nicht so recht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, und da beginnen sie einfach, sich zum Mittelpunkt der Erde zu graben.

Es sind wunderbare Texte, in denen es von seltsamen Details und Ereignissen nur so wimmelt. Man fühlt sich immer ein wenig an T.C. Boyle erinnert, der ähnlich nebenbei erzählt, von Menschen berichtet, die die sonderbarsten Situationen durchleben, diese aber ganz unvoreingenommen annehmen. Da müssen wir jetzt durch!

Ganz ähnlich erzählt Kevin Wilson. Er erklärt nicht viel. Die Gegebenheiten müssen vom Leser akzeptiert werden. Und wer das schafft, wird Geschichten lesen, die im Gedächtnis bleiben. Sie enden meist lakonisch, ohne ein "richtiges" Ende, es wird nicht alles aufgelöst, es bleibt genug Raum, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Das macht die Geschichten so interessant.

Sacha Brohm

Kevin Wilson: Das große Schwesternhandbuch - Nachschlagewerk für sensible Jungs. Aus dem Amerikanischen von Xenia Osthelder. Luchterhand, München 2013, 270 S., 14,99