KRIEGSFILME

Vermintes Gelände

Peter Bürger über »Terror, Krieg und Staatskunst« im Film

Dieses Buch handelt von Filmen, aber es ist kein Film-Buch. Vielmehr sieht Peter Bürger, Theologe und Friedensaktivist, im Kriegskino eine staatlich organsierte volksverrohende "Pflanzschule des Krieges". Er ist eher gegen Krieg als gegen Filme darüber. Er schreibt keine filmästhetische Studie, sondern ein politisches Manifest.
Dass der Mensch aus vernünftigen Gründen Pazifist sein muss, ist ihm wichtig. Es geht ihm um die Geschichten, nicht um die Art ihrer Erzählung. Und um die Interessen der am Geschäft mit den Geschichten Beteiligten.
Vor allem beschreibt er, wie das US-Verteidigungsministerium seit den 80ern aus der offiziell verbotenen Kriegspropaganda ein neues "Militainment" machte. Durch Gewährung oder Verweigerung finanzieller Förderung und durch Eingriffe in die Stoffentwicklung steuert das Pentagon die Unterhaltung. Dieser Teil seiner Studie ist schon wegen der Materialfülle (700 Titel) überwältigend.
Dass das Panzerverleihen für Dreharbeiten mehr als Image-Pflege ist, weil ein perfider Plan zur Publikums-Rekrutierung dahinter stecke, kann Bürger lediglich plausibel machen, an schlagenden Beispielen (Top Gun, Pearl Harbor) aber auch an zweifelhaften: Heben Armaggedon und The Core absichtlich die Akzeptanz für neue Bombentypen, die Erdpenetratoren?
Konzentriert man sich auf einzelne Filme, werden Bürgers Deutungen und Sachinfos zuweilen schal. Natürlich war etwa Staatsfeind Nummer 1 trotz oberflächlicher Geheimdienstkritik ein Werbespot für Überwachungstechnik. Aber er hätte doch auch erwähnen sollen, dass der NSA-Direktor entsetzt Pressekonferenzen veranstaltete, um "diese Verunglimpfung" seiner Behörde zu tadeln. Natürlich ist Pearl Harbor Propaganda und der 30 Jahre ältere Tora Tora Tora der bessere Film und die korrektere Geschichtslektion. Aber Hiroshima kommt in beiden nicht vor, was Bürger nur dem neuen Produkt vorwirft. Allerdings weist er immer wieder richtig darauf hin, dass etwa die 70er viel politischere, machtkritischere Filme hervorbrachten.
Von derlei Einzeleinwänden abgesehen, liefert Bürger spannende Hintergründe für eine neue Verbraucher- und Jugendschutz-Debatte. Man soll nicht fragen, was ein abgetrennter Arm in einem Kopf anrichtet, man soll eher herausfinden, wer sich die Szene ausdachte, wer dafür bezahlte, wer sich davon welchen Vorteil verspricht.
Erst kam Kiefer Sutherland mit 24, dann erklärt der deutsche Innenminister seine Bereitschaft, unter Folter erzwungene Aussagen interessiert zu lesen. Das nächste Buch muss Peter Bürger wohl übers Fernsehen schreiben.
WING
Peter Bürger: Kino der Angst. Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2005, 637 S., 29,- ISBN: 389657471X