KRIEG & TECHNIK

Schlachtengeschichte

Eine gute Gesamtdarstellung des I. Weltkriegs

Im I. Weltkrieg liegt das ganze Elend des 20. Jahrhunderts begraben. Als das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn 1914 beschlossen, die halbe Welt in einen Krieg zu stürzen, setzten sie damit in Europa ein vier Jahre lang andauerndes Massenschlachten in Gang, das ca. 10 Millionen Tote forderte. Die damit verbundenen Anforderungen an Technik und Politik, Industrie und Verwaltung schufen die Grundlage für den "modernen" Staat, der sich plötzlich in den Alltag und die industrielle Produktion einmischte, wie man es so vorher noch nicht gekannt hatte.
Das ist die Hauptthese, die der Militärhistoriker H.P. Willmott in seinem Buch Der Erste Weltkrieg überzeugend und unaufdringlich verfolgt. Der üppig bebilderte und exzellent gestaltete Band ist vorwiegend eine materielle Darstellung des Krieges, weniger eine Sozialgeschichte. Hier werden Stahlproduktion und Waffentechnik beobachtet, die Kriegsschauplätze geografisch ausführlich dargestellt, Schlachtenverläufe sind in übersichtlichen Karten zu besichtigen. Die chronologische Darstellung (die von 1878 bis in die frühen 20er Jahre reicht) wird ergänzt durch optisch gut abgegrenzte Sonderbeiträge: Ausrüstungen der Armeen, Entwicklung der Waffentechnik, Versorgungsprobleme, selbst die Kriegsmalerei werden gesondert dargestellt.
Erstaunlich ist, dass Willmott für diese beachtliche Leistung keine Co-Autoren angibt, nicht mal einen Quellenapparat braucht er (dafür liefert er ein gutes Stichwortverzeichnis). Technisch hervorragend mehrfarbig gedruckt, enttäuscht nur, dass vom Verlag ein paar Textfehler übersehen wurden. Trotzdem ist diese auch inhaltlich gute Gesamtdarstellung geradezu preisverdächtig geraten; ein derart schönes Buch (bei dem Thema mag das makaber klingen) hat man selten in Händen.
Eine ebenfalls enge Verschränkung von Technik, Forschung und Staat beschreibt John Cornwell in seinem Buch Forschung für den Führer - Deutsche Naturwissenschaftler und der Zweite Weltkrieg. Auch Cornwell bezieht sich auf den I. Weltkrieg (als Fritz Haber den Militärs das Giftgas "schenkte"), beschäftigt sich aber vorwiegend mit der Tätigkeit Heisenbergs und dem deutschen "Atomverein". Aber auch Medizin, Ingenieurswesen, Zwangsarbeit und die Raketenforschung des Wernher von Braun kommen vor; der hat, immerhin, später für die Amis gearbeitet und sie auf den Mond geschickt. Der moderne Staat ist, wenn's drauf ankommt, moralisch sehr flexibel.
Erich Sauer
H. P. Willmott: Der Erste Weltkrieg. Aus dem Englischen von Klaus Bunder und Bernd Leineweber. Gerstenberg, Hildesheim 2004. 31x26 cm, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 319 S., 39,- ISBN: 3806725497
John Cornwell: Forschen für den Führer. Deutsche Naturwissenschaftler und der Zweite Weltkrieg. Aus dem Englischen von Andrea Kamphuis. Gustav Lübbe, Berg.-Gladbach 2004. 576 S., 16 S. Tafelteil mit 40 Duplex-Abb., 24,90 ISBN: 378572165X