Reden Das Parkbank Duo Milena Michiko Flasar beschreibt zwei einsame Männer Auf einer Parkbank lässt sich ein junger Mann nieder. Er hat zum ersten Mal seit zwei Jahren sein Zimmer im Elternhaus verlassen. Nichts Außergewöhnliches in Japan, wo es mittlerweile für junge Leute, die sich in ihren Kinder- und Jugendzimmern einkerkern, den Namen Hikikomori gibt. Diese jungen Menschen weigern sich, in das "echte" Leben hinauszugehen, weil sie dem Druck, der dort auf ihnen lasten würde, nicht gewachsen sind. Sie finden sich in dieser Leistungsgesellschaft nicht zurecht und sehen als einzigen Ausweg das selbstgewählte Gefängnis. Die Eltern und Verwandten lassen sich auf diesen Umstand ein, auch wenn das bedeutet, dass sie ihrem Umfeld Lügen über ihre Kinder erzählen. Eines Tages schafft es der junge Mann, sich in die Öffentlichkeit zu wagen, was nur unter schwierigsten Umständen gelingt. Jede zufällige Berührung mit anderen Menschen führt zu unangenehmen körperlichen Reaktionen. Auf der Bank im Park fühlt er sich jedoch sicher. Und hier begegnet er einem 58-jährigen Mann, der seinen Job verloren hat, es aber seit Wochen vor seiner Frau verheimlicht. Zwei Biografien, die aufeinanderprallen und von einer Gesellschaft berichten, in der es das Wichtigste ist, zu funktionieren, nicht aufzufallen, in der Masse aufzugehen. In 114 kurzen Kapiteln zeichnet Milena Michiko Flasar das Bild einer Begegnung, die viele Wochen dauern wird. Die beiden Protagonisten philosophieren über ihre unterschiedlichen Leidenswege und kommen sich näher. Sie verstehen sich als Außenseiter und geben sich gegenseitig Kraft. Das liest sich manchmal etwas steif, etwas pathetisch, man könnte sagen poetisch, aber oftmals stört es beim Lesefluss. Was diesen Roman aber so bemerkenswert macht, ist die Beschreibung einer Leistungsgesellschaft, die mit Individuen umgeht, wie mit kaputten Produkten. Sie sind austauschbar und haben nur die Möglichkeit, sich untereinander zu finden, um neuen Mut zu schöpfen. Sacha Brohm
Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte. Wagenbach, Berlin 2012, 140 S., 16,90
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