GESCHICHTE Der kränkelnde Mörder Die Biographie des Waldemar Papst, der in den 30ern die Internationale der Reaktionäre gründen wollte Der Mann war kein "richtiger" Nazi und kein tumber Söldner. Er wollte Anfang der 30er eine "Weisse Internationale" gründen (mit den italienischen Faschisten als Vorbild und Kernpunkt), was den Nazis gar nicht passte, die erstens sich selbst für den Nabel der Welt hielten und zweitens mit Internationalismus nichts am Hut hatten - soweit er sich nicht darin äußerte, fremde Lämnder zu überfallen. Waldemar Papst befahl die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht - das ist unstrittig. Nicht bewiesen ist, wie Klaus Gietinger in seiner Fleißarbeit Der Konterrevolutionär behauptet, dass er das im Auftrag des SPD-Polizeichefs Noske tat. Überhaupt kümmert sich Gietinger in der Hälfte des Buches um die unrühmliche Rolle, die die SPD bei der "deutschen Revolution" 1919 gespielt hat. Was Ebert und Noske damals anrichteten, so Gietinger, führte direkt zum Faschismus. Weil die alten Kameradschaften damals nicht zerschlagen wurden, waren sie den Nazis dann nützliche Erfüllungsgehilfen. Diese Behauptung ist nicht neu, ebensowenig der Einwand, dass die SPD gar nicht anders gekonnt hätte. Dass sie allerdings gar nicht anders wollte - das hat der Filmemacher und Publizist Gietinger schlüssig zusammengetragen. Immer mittendrin: Der geistig bewegliche Waldemar Papst. Der sich erst krank meldet und dann doch dem Kapp-Putsch beitritt. Der für den Schießbefehl deutscher Freikorps verantwortlich zeichnet, der später für Rheinmetall und das Nachkriegsdeutschland als Waffenhändler unterwegs ist und der sich immer rechtzeitig absetzt, bevor es ihm an den Kragen ging. So entkam er dem "Röhm-Putsch" (bei dem er nachweislich auf der Liste der Todeskandidaten stand) wie den Alliierten (die Franzosen hätten gerne mit ihm gesprochen...), und wenn er wirklich mal vorgeladen wurde und es für ihn eng zu werden drohte - wurde Papst krank. Natürlich mit Attest. Papst starb, unbehelligt und nie für seine Morde und Straftaten vor Gericht gestellt (die DDR immerhin ließ einen Haftbefehl gegen ihn ausstellen), 1970 in Westdeutschland. Sollte er in der Hölle gelandet sein, so Gietinger, "was macht er dann in der Hölle: Geschäfte mit glühenden Kohlen? Exekutionen? Morde? Versucht er eine Höllen-Internationale? Oder putscht er nur?" Erich Sauer
Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionär. Waldemar Papst - eine deutsche Karriere Edition Nautilus, Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2009, mit zahlr. Abb., 539 S., 39,90
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