KÖRPERSPRACHE
Wilde Gesten
Peter Collett verrät Poker-Tricks beim Umarmen
Ausnahmsweise ist der Titel mal kongenial übersetzt und trotzdem falsch. Aus "The Book of Tells: How to read People's Minds from their Actions" wurde Ich sehe was, was du nicht sagst. So deuten Sie die Gesten der anderen - und wissen, was diese wirklich denken.
Das liegt, auf Deutsch nur ein wenig vergröbert, im Mainstream aller Körpersprachbücher seit Jahrzehnten. Die feierten erst, vom schieren Erkenntniswillen dahingerafft, die Entdeckung einer "Sprache, in der man nicht lügen kann". Dann entdeckten sie "unterdrückte Botschaften" in allen Haltungen und einen gesellschaftskritischen Subtext noch beim Nasekratzen. Danach kamen die Trick-Bücher. Typ 1: wie merke ich, wie ernst eine Umarmung gemeint ist? Wenn der Partner sein Becken zurückzieht, gilt es nicht! Typ 2: wie muss ich mich halten, damit mein Partner denkt, ich meinte es ernst? Becken leicht vorschieben! Also kann man mit dem Körper doch lügen?
Peter Collett, englischer Verhaltenspsychologe und Berater des Originals von "Big Brother", schreitet nun noch mal das ganze Spektrum von Haltungen zur "nonverbalen Kommunikation" ab. Er beginnt mit einer Poker-Partie, bei der jede Geste, jedes Augenzucken, als "verräterisches Zeichen", als "Tell" gelesen wird. Schnell ist er dann in der Naturgeschichte (große Schwänze sind ein Fortpflanzungs-Signal, weil man sie einfach von weiter weg sieht) und im Minenfeld der Mitteilsamkeit: drückt sich Natur im Naserümpfen aus? Oder Kultur, wenn der Grieche beim Verneinen nickt? Oder bloß Blödsinn ("ein Mann der sich unterm Kinn zupft, macht sich Sorgen über sein zunehmendes Gewicht")?
Collett tut stets so, als schreibe er nur ein Trick-Buch, aber die wirklichen Erkenntnisse entschlüpfen ihm am Rande. Etwa historisch: die Franzosen haben im 16. Jahrhundert noch nicht gestikuliert, erst Katharina von Medici schleppte bei der Heirat mit Henri II. die Fuchtelei als höfischen Stil ein.
Oder kommunikations-theoretisch: erst allmählich kommt Collett darauf, dass nicht per Körpersprache einer irgendwas "sagt" und ein anderer etwas versteht oder entschlüsselt, sonderen mehrere miteinander "reden" und sich meist verstehen ohne es zu merken.
Die Rezept-Gesten von Collets Kompendium mögen mit ihrem Instrumenten-Gehabe Menschenfreunde abschrecken, aber im Grunde will er uns nur sagen: achte auf Kleinigkeiten, bei anderen und bei dir. Und manipulier erst gar nicht, weil man das deiner Schulterspannung eh ansehen kann.
Den besten Nutzen zieht man wohl vor dem Spiegel aus dem Buch: ich sehe was, was ich mir bisher nicht eingestehen wollte.
WING
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Peter Collett: Ich sehe was, was du nicht sagst. So deuten Sie die Gesten der anderen - und wissen, was diese wirklich denken. Aus dem Englischen von Wiebke Schmaltz. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2004, 414 S., 19,90 ISBN: 343103229X
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