Vor Gericht

Unklare Verhältnisse

Schon wieder ein Justizskandal in Sachsen?

Im Sommer 2011 rief die Thüringer Landeszeitung den Verteidigungsfall aus. Eine fremde Macht, so berichtete sie aufgeregt, habe die Landesgrenzen überschritten, sei in Gebäude eingedrungen, habe gar ein Auto entführt, und das alles ohne weder die Regierung noch die Ortspolizei wenigstens zu verständigen. Die "Bösen" waren Polizisten aus Sachsen, der überfallartig Durchsuchte war der evangelische Jugendpfarrer Lothar König, dem in Dresden ein Prozess wegen schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs bei einer Demonstration gemacht werden sollte.

Schon die Vorbereitung des Prozesses wimmelte von Seltsamkeiten, in der Hauptverhandlung platzte er dann nach wenigen Tagen, weil überraschend 200 Stunden Videomaterial der Polizei auftauchten, die in den Akten fehlten und schon bei kurzer Draufsicht sehr entlastend aussahen. Wie es dazu kam, beschreiben die Rechtsanwälte Johannes Eisenberg und Lea Voigt sowie der Theologe Manuel Vogel in dem Sammelband Antifaschismus als Feindbild

Zwar kommt vielen wohl ein einziges, noch dazu ausgesetztes Verfahren wenig bemerkenswert vor, angesichts der vielen Hundert Nötigungsprozesse gegen Blockierer von Startbahnen oder Raketenbasen, angesichts des "Hamburger Kessels" und des allgemein oft überstrengen Umgangs mit Demonstranten. Der Fall Lothar König ist aber in zwei Hinsichten besonders. Erstens weil der bärtige Bürgerschreck schon zu DDR-Zeiten als Kritiker der Obrigkeit auffiel und nach der Wende genau dort Jugendarbeit machte und vor neuen Nazis warnte, wo die NSU entstand. Deshalb wurde er im letzten Jahr vom Land Thüringen und der Stadt Jena mit Preisen für Demokratie und Zivilcourage ausgezeichnet. Zweitens sind Polizei und Gerichtsbarkeit in Sachsen geradezu auf Skandale und unsaubere Arbeit abonniert. Mal stimmte in einem Urteil nicht mal der Tat-Tag, mal wurden in einem ganzen Stadtviertel alle Handy-Daten gespeichert, um vielleicht eine bekannte Telefonnummer darunter zu finden. Dafür fehlen immer wieder entlastende Aussagen in den Akten, an die sich ordentliche Polizisten im Prozess dann glücklicher-, oder für die Staatsanwaltschaft eher peinlicherweise erinnern. Bemerkenswert auch, dass zwei der Autoren und Herausgeber die Verteidiger Lothar Königs waren, die im Vorfeld einer drohenden Wiederaufnahme des Prozesses jetzt Öffentlichkeit herstellen.

Wing

Johannes Eisenberg / Lea Voigt / Manuel Vogel (Hg.): Antifaschismus als Feindbild - Der Prozess gegen den Jugendpfarrer Lothar König. Laika, Berlin 2014, 304 S., 21, - mit einer DVD mit Beweismaterial und anderen Beiträgen.