KLIMA

Gutes Wetter

Josef H. Reichholf erzählt »Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends«

Die Klimaerwärmung kommt. Das ist unstrittig. Und mit ihr kommen viele Katastrophen. Das weiß längst jeder. Dass sie aber auch einen ökologischen Vorteil bringt, das hat erst jetzt der Zoologieprofessor Josef H. Reichholf herausgefunden. Wenn nämlich die Winter bei uns milder werden, werden wir in Zukunft viel weniger Energie fürs Heizen brauchen.
Reichholf meint den Gedanken am Ende seiner kurzen Naturgeschichte gar nicht zynisch, sondern als ernsten Hinweis darauf, dass Wetter und Wirtschaft, Klima und Zivilisation, Natur und Geschichte grässlich kompliziert zusammenhängen. An vielen Beispielen und hauptsächlich über die letzten 1000 Jahre in Mitteleuropa verfolgt er diese Wechselwirkungen. Er beschreibt die großen Klimaveränderungen und die Folgen für der Welt der Pflanzen, Tiere und Menschen.
Im Mittelalter war es so warm, dass die Pest ausbrechen konnte. Ab 1500 wurden die Winter so lang, dass der Wein nicht mehr wuchs und die Kühlung Bier zum populären Getränk machte. Andererseits drangen die Wölfe bis in die Städte vor. Ab 1700 wurde es wieder wärmer und die "feindliche" Natur wandelte sich zum "lieblichen" Ort der Romantik, fremdländische Pflanzen wie Kartoffeln oder Mais wurden heimisch.
So macht Reichholf seine Grundthese plausibel: Die Natur hat keinen festen, richtigen, guten Zustand, der unbedingt erhaltenswert wäre - der Wandel ist die Norm, Änderung und Anpassung sind unausweichlich.
Der Teil des Buches ist manchmal etwas professoral umständlich aber lehrreich und entlarvt Umweltschutzrhetorik als oft unwissendes Heile Welt-Gefasel. Andererseits kippt die Korrektur aufgeregter Verkürzungen der Klimadebatte zuweilen vom Richtigen ins Problematische. Es war durchaus schon mal wärmer als heute, es ist nicht alles Kohlendioxid, was die Atmosphäre aufheizt, Brandrodungen sind schlimmer als Autofahren, Australien ist umweltschädlicher als China, Katalysator und Öko-Steuer haben den Diesel-Boom erst möglich gemacht.
So rutscht Reichholf stellenweise in die Nähe platter "Mein Auto fährt auch ohne Wald"-Aufkleber. Er glaubt nicht, dass "die Klimakatastrophe" kommt, er will angesichts kommender Lebensmittelkrisen nicht wertvolles Ackerland für Biomasse-Produktion verschwenden, er will lieber Deiche bauen als Flugbenzin für global herumreisende Klimaretter-Kongresse verbrennen. Mit solchen Meinungen macht er sich leicht falsche Freunde. Denn trotz unbequemer Gedanken ist Reichholf sicher Al Gore näher als dem künftigen Ex-Präsidenten der USA.
WING
Josef H. Reichholf: Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends. S. Fischer, Frankfurt/M. 2007, 336 S., 19,90