MÄDCHEN

Fälliger Ausbruch

Eine finstere Satire über das Frauenbild in China

Hello Kitty" ist die Barbie Chinas. Sie zeigt kleinen Mädchen bereits im Kinderzimmer, wie die perfekte Frau zu sein hat: Niedlich wie ein Schmusekätzchen, aber ohne Mund, der Widerworte geben könnte, und ohne Krallen, um sich zu wehren. Fiona Yu wurde zu einer "Hello Kitty" erzogen. Ihre Eltern sind Chinesen, die an Traditionen festhalten, auch wenn sie in San Francisco leben. Obwohl Fiona eine erfolgreiche Wirtschaftsanwältin ist, wohnt sie noch in ihrem Kinderzimmer. Bis sie einen Chinesen heiratet, soll sich daran nichts ändern, das gilt auch für ihre Jungfräulichkeit.

Im Gegensatz zu den Frauen müssen die chinesischen Männer weder schön, noch schlau oder angepasst sein. Also schleppen Fionas Eltern einen fetten, ungebildeten und dreisten Kerl nach dem anderen an, um ihre Tochter endlich zu verheiraten. Eines Tages trifft sie ihren alten Schulfreund, der gutaussehend, Chirurg und Amerikaner ist. Aber was Fiona an ihm besonders reizt: Er ist ein Serienkiller. Es entwickelt sich eine Beziehung, in der es nicht um Sex geht, sondern ums Töten und töten lassen.

Hello Kitty muss sterben ist der Debütroman der Autorin Angela S. Choi, deren Biographie Parallelen zu ihrer Protagonistin Fiona zeigt - das Morden ausgenommen. Mit tiefschwarzem Humor entlarvt Choi Doppelmoral und soziale Zwänge. Dabei zeichnet sie das Bild einer grotesken Gesellschaft, in der das mordende Paar oft eine gesündere Psyche zu haben scheint, als die Menschen in seinem Umfeld.

Während Frauen bis zur Aufgabe ihrer selbst den Mann zum Heiraten suchen, suchen Männer das hübsche Schmusekätzchen zum Ausführen. Alles dreht sich um Äußerlichkeiten und darum, den Ansprüchen anderer Menschen gerecht zu werden. Es scheint als habe es nie eine Emanzipation der Frauen gegeben: Zwar haben einige Erfolg im Beruf, doch unabhängig davon werden die meisten zur debilen Lolita oder braven Hausfrau, sobald ein Mann ins Spiel kommt. Deshalb ist Fiona Yu, die weder Lolita noch brav sein will, eine sympathische Protagonistin - besonders wegen ihrer Mordlust. Denn wie heißt es so schön: "Brave Mädchen kommen in den Himmel; Böse Mädchen kommen überall hin."

Janne Hiller
Angela S. Choi: Hello Kitty muss sterben. Aus dem Amerikanischen von Ute Brammertz. Luchterhand, München, 2010, 283 S., 14,99