Geschichte

Killing Kennedy

Die Kennedy-Präsidentschaft als Frauenroman

An diesem Buch ist weniger seine Trivialität und Dummheit erschreckend als vielmehr die Tatsache, dass es 2012 zu den erfolgreichsten Sachbüchern in den USA gehörte. Verfasst hat es Bill O'Reilly, Journalist und Kolumnist für Rupert Murdochs Dumm-Dumm-Geschoss "Fox News", dem Nachrichtensender mit den meisten Falschmeldungen.

"Kennedy steht an einem Seiteneingang von Bing Crosbys Haus und beobachtet das Kommen und Gehen der Leute." - das ist der Tonfall. Meistens werden solche Szenen ergänzt durch genaue Beschreibung von Frisur, Kleidung (manchmal auch Unterwäsche), und Autor und Leser nisten sich in Kennedys Kopf ein und wissen plötzlich, was ihn umtrieb. Das gleiche macht das Buch mit Lee Harvey Oswald, dem Kennedy-Attentäter. Diese für Friseurzeitschriften von "Gala" bis "Spiegel" beliebte Masche, Gewissheit vorzugaukeln wo doch nur Vermutung vorherrscht, wäre allein noch nicht ärgerlich, wenn Killing Kennedy dabei wenigstens neue Erkenntnisse beförderte. Aber alles, was Reilly und sein Co-Autor Martin Dugard präsentieren, ist längst bekannt, tausendfach beschrieben worden, und wer eine wirklich kluge und klug spekulierende Belletristik-Version der Kennedy-Zeit lesen möchte, der lese James Ellroys "Ein amerikanischer Thriller".

Dass das Buch zudem keine Perspektive hat (was war das, was sich damals änderte und was da endete?) und keine einzige neue Frage an die Geschichte, gehört zu der anspruchslosen Herangehensweise der Autoren, für die "die Sowjets" hier übrigens immer noch nach der Weltherrschaft strebten. "Massensterben ist für Nikita Chruschtschow kein Fremdwort. Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg in der Schlacht um Stalingrad, in deren Verlauf über eine Million Menschen ums Leben kamen - darunter auch viele deutsche Soldaten, die Chruschtschow persönlich verhört hatte." Dass es sich bei dieser Satzkonstruktion um die typische Verleumdungs- und Verdummungstechnik à la Fox Newshandelt, ist ärgerlich genug. Aber warum findet Amerikas intellektueller Bodensatz in Deutschland seriöse Verleger?

Erich Sauer

Bill O'Reilly mit Martin Dugard: Killing Kennedy. Das Ende des amerikanischen Traums. Aus dem Amerikanischen von Maria Zybak und Bernhard Jendricke. Droemer, München 2013, 400 S., 19,99