FAZ-MANN

Die Auflösung des Typischen

Aufsätze, Einsichten und Absichten eines Konservativen

Jürgen Kaube schreibt für die FAZ. Etwa darüber, dass wir alle immer individualistischer werden und uns trotzdem in der statistischen Mitte treffen. "Wenn der Chef oder der Pförtner mit einem Ohrring erscheint, dann hat er sich das zwar nicht selber ausgedacht, aber dass man ihn schlecht fragen kann, ob denn Karneval sei, zeigt die Erweiterung dessen an, was als normal erwartet werden muss." Wenn alles erlaubt ist, hat das "Normale" keine Macht mehr über den Menschen. Die Abweichung wird zur Norm. Das ist ein schöner, wenn auch kein neuer Gedanke.
Typisch für den FAZ-Mann Kaube ist, dass bei ihm immer eine gewisse Mäkeligkeit durch zu hören ist. Wenn wir alle Minderheiten sind und der Staat Minderheiten schützen muss - brauchen wir alle Hilfe vom Staat. Nicht, weil wir wirklich Bedürftig wären, sondern weil "die Anderen" schließlich auch was kriegen: Die Briefmarkensammler, die katholischen Schäferhundzüchter, die schwulen Bergsteiger. Das passt Kaube nicht. Kaube interessieren dabei weder die tatsächlichen ökonomischen Verhältnisse (wie viel verdient ein schwuler Bergsteiger im Vergleich zu, sagen wir: einem FAZ-Redakteur?) noch das sich wandelnde Bild vom Staat. Wenn die Kriege aufhören, die Steuern in Brüssel festgesetzt werden und sich niemand mehr für "die Norm" interessiert: Wofür braucht's noch einen Staat, außer uns zu alimentieren und uns so unsere Steuern zurückzugeben? (In einer idealen Welt wird irgend jemand dann die Frage stellen: wozu braucht's noch eine FAZ?)
Ansonsten ist Herr Kaube jemand, der gerne über Leute schmunzelt, die zu viel Sonnenbaden oder immer noch Armbanduhren tragen. Herr Kaube ist ein kleiner Herrenmensch, und er ist es gern. Dass der "Sarotti Mohr" der politcal correctness weichen muss, ist ihm ebenso Anlas für melancholische Seufzer wie die Tatsache, dass immer mehr Asylsuchende vor Betreten deutschen Bodens ihre Pässe wegwerfen. Dass wir Deutsche so blöd sind, das einfach zuzulassen, findet Herr Kaube dumm von uns. Dass Asylsuchende nach dem neuen Asylrecht eigentlich gar keine andere Chance haben als die, erstmal ihre Vergangenheit und Identität wegzuwerfen - das weiß er vielleicht. Aber er sagt's nicht. Lieber macht er einen Witz: Wenn man Röntgenbilder vom Schädel der Asylsuchenden (statt Passfotos) anfertigen lassen würde, "wird die Antwort der Asylsuchenden vermutlich einfach sein: Lichtbilder aufessen." Nein aber auch, diese Neger! Fressen notfalls Lichtbilder! Köstlich!
Im Prinzip geht Kaube die ganze Moderne sanft auf die Nerven. Er mag eher Grillparzer als Tarantino, Adorno als Eco, Hegel als Schopenhauer. Und schreibt trotzdem über den "Geist des FC Bayern".
Auch hier also Kaubes Thema: Die Auflösung des Typischen. Wenn's denn hilft.
Erich Sauer
Jürgen Kaube: Otto Normalabweichler. Der Aufstieg der Minderheiten. zu Klampen, Springe 2007, 190 S., 16,-