WITZLOS

Leben in Wales

Kate Roberts' Erzählungen aus dem Hinterland

Was weiss man von Wales? Wohl kaum mehr, als dass dort extrem lange Ortsnamen vorkommen, in einer alten, langsamen Sprache, die sogar die Waliser selbst in den letzten 100 Jahren fast vollständig verlernten. Dass es gar richtige Literatur in dieser Region gibt, bezweifelten sogar aufgeschlossene englische Nachbarn. "Unklare Geschichten über im Grunde uninteressante Leute" urteilte immerhin George Orwell in den 40ern - auch über Kate Roberts, die Mutter der walisischen Literatur.
Sechzig Jahre später hält ihr deutscher Übersetzer (der zugibt, ohne englische Zwischenversionen gar nichts verstanden zu haben) den Orwell-Verriss für ein treffendes Lob.
Kate Roberts schrieb, von Anfang der 20er bis Mitte der 60er, kleine, unscheinbare, weitgehend pointenlose Erzählungen aus einer überschaubaren Welt.
Frauen arbeiten sich Finger wund und Seelen taub, Männer werden im Steinbruch grau, oder bei dem Versuch, der neue Mittelstand zu werden. Oder sie wandern aus, in den Süden, nach Cardiff. Da wird Kohle gebrochen und englisch gesprochen. Es ist alles sehr traurig - und es kommen überhaupt keine Katzen vor.
Die Titel-Geschichte des quer durch das Lebenswerk zusammengestellten Bandes Katzen auf einer Versteigerung handelt von Frauen, alten und jungverheirateten. Die treffen sich im Haus einer Verstorbenen, um nach der Tradition die Möbel unter sich aufzuteilen. Und die älteste beschließt, ihre eigenen Möbel dem testamentarisch zu entziehen, sie sollen beisammen bleiben, eingelagert werden und verfaulen.
George Orwell kannte die Story nicht, Kate Roberts schrieb danach 20 Jahre lang nichts mehr und starb 1985.
WING
Kate Roberts: Katzen auf einer Versteigerung Erzählungen. Aus dem Walisischen vom Wolfgang Schamoni. Bielefeld, Pendragon 2000, 180 S., 29,80 DM