Erich Kästner Rotzige Melancholie Eine Neuausgabe der "Dreizehn Monate" Wenn ein Dichter die Monate im Auftrag einer Zeitschrift besingen soll, erwartet man heiter-besinnliche Belanglosigkeiten über die Schönheit der Natur und den Wechsel der Jahreszeiten. Als Erich Kästner solch einen Auftrag annahm, wurde daraus Die dreizehn Monate und eine eher melancholische Angelegenheit. Kästner marschierte auf seinen 60. Geburtstag zu und spürte die Zeit deutlich im Kreuz. Und so sind diese formal brillanten Gedichte auf die Monate ein durchgehender Klagegesang auf das Vergehen der Zeit und die lächerliche Bedeutungslosigkeit des Menschen, "ein motorisiertes Eisenfeilspänchen, das, blind und in beiderlei Wortverstande érasend', dem Magnetberg der Geschichte entgegenjagt." Dass der in der Grundstimmung eher freundliche Zeichner Hans Traxler die Neuauflage der 13 Monate mit eher freundlichen, bisweilen läppischen Zeichnungen versehen hat, soll wohl die Verkaufschancen als Geschenkbändchen erhöhen (wer kauft sich schon selbst Lyrik?). Das funktioniert allerdings nur, wenn man Kästner ungelesen in den Schrank stellt. Wer den Band tatsächlich lesen sollte, wird allerdings schon im Januar mit der unnachahmlich rotzigen Melancholie Kästners belohnt: "Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. / Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald. / Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege. / Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. / Man steht am Fenster und wird langsam alt." -vl-
Erich Kästner: Die dreizehn Monate Illustriert von Hans Traxler. Atrium, Zürich 2011, 64 S., 14,00
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