HEIMAT

Notizen aus der Provinz

Jürgen Noltensmeier wächst ostwestfälisch auf

Heute sitzt er in Berlin und Leipzig, veranstaltet Literaturshows und steigt gerade vom NoBudget-Verlag zu richtigen Büchern auf. Damals war er der vierte im Dorf, der die E-Gitarre kriegte, und die Griffe für "Smoke On the Water" lernte. Oder war das doch Holger?
Vier Personen erzählen in Jürgen Noltensmeiers erstem Roman abwechselnd 15 Dönekes aus einer Jugend in den 70ern, hinten im Kalletal. Und seltsam: Ältere und Jüngere und Ausserwestfälische ebenso erkennen ihre eigene Jugend darin wieder. Nicht überall zwar fällt einem beim Manöver ein britischer Panzer in die Rabatten, nicht jeder hatte wohl ein Wettwichsen, mit der eigenen Schwester als strippender Schiedsrichterin oder fuhr sich auf dem Mofa tot.
Aber fast jeder wird diese karge Wehmut mögen, die Noltensmeier mit springenden Perspektiven, schnoddrigen Tönen, deutlicher Rückschau und lebendiger Erzählung schafft: so trauern Leute, aus denen auch nix richtiges geworden ist, über die Öde, die sie verlassen haben. Und über die winzigen Idyllen darin, das Baden im Teich, Mel Sandock im Röhrenradio ... ich bin ja schon ruhig.
WING
Jürgen Noltensmeier: Geburtenstarke Jahrgänge. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, 208 S., 8,90 EU