MEDIEN
Presse-Mythen
Die deutschen Zeitungen nach ´45 waren fast alle rechts und nationalistisch ausgerichtet
Ärzte mäkeln ungern über andere Ärzte, Richter schimpfen selten über andere Richter (selbst die Hamburger Knalltüte, der ehemalige Amtsrichter Ronald Barnabas Schill, wurde von Kollegen nur mit Schweigen bedacht), Künstler lästern selten über andere Künstler - und Journalisten schreiben ungern über Journalisten. Und noch unwohler fühlen sie sich, wenn sie über Verleger schreiben sollen - immerhin ihre Arbeitgeber.
Das mag auch ein Grund sein, warum über die Nachkriegsgeschichte der größten deutschen Zeitungen und Zeitschriften so wenig bekannt ist - wer weiß schon, dass Die Zeit als national tösendes Kampfblatt begonnen hat oder dass Augsteins Spiegel bis in die 60er ein Tummmelplatz für einschlägig nazistisch Vorbelastete war?
Die nicht immer gut geschriebene Aufsatzsammlung Die Herren Journalisten - Die Elite der deutschen Presse nach 1945 schließt da einige Wissenslücken. Und präsentiert uns die FAZ und die "Süddeutsche" als eher rechte Elite-Blätter, größtenteils unter der Schriftleitung alter Nazis und Nazi-Schreiber. Am tollsten trieb des Die Zeit, die erst nach einer internen Revolte, angeführt von Gerd Bucerius und Marion Gräfin Dönhoff, zu jenem konservativ-liberalen Hanseatenblatt wurde, wie man's heute kennt; vorher herrschten dort ein wahrhaft anderer Ton und eine andere Haltung, die man heute eher bei der "Nationalzeitung" ansiedeln würde.
Dass Henri Nannen den stern erfunden hat, gehört auch zu den "Stunde Null"-Mythen der Republik. Denn bereits in den 30ern hatte der Ullstein-Journalist Kurt Zentner ein konzeptionell sehr ähnliches Blatt herausgegeben - unter dem überraschenden Titel "Der Stern".
Einzig die "Frankfurter Rundschau" steht politisch unbelastet da. Durch die Lizenzgebung der Alliierten unter kommunistischem Einfluß, hatten dort von Anfang an Exil-Autoren und andere Unverdächtige das Sagen. Von der aufkommenden Medien-Elite, von Springer bis Augstein, wurde das Blatt daher auch bis in die 60er nicht ernst genommen.
Lutz Hachmeister und Friedemann Siering sind die Herausgeber dieser Aufsatzsammlung, die manchmal etwas besser hätte redigiert werden können (der olle "Tat"-Schreiber Paul Sethe wird einmal als Nationalkonservativer, mals als "Liberaler" vorgestellt) und bisweilen arg ins Detail geht. Versehen mit einem Namensregister ist es ein brauchbares Handbuch zur unrühmlichen frühen Nachkriegsgeschichte der deutschen Presse.
Wer's etwas genauer, wenn auch noch schlechter geschrieben wissen will: Die nationale Gesinnung des frühen Rudolf Augstein hat Otto Köhler in der Biografie Rudolf Augstein - Ein Leben für Deutschland recht präzise dokumentiert (nicht zum ersten Mal). So wenig es Augstein zum Ruhme gereicht, als nationaler Krawallbube begonnen zu haben, so sehr sollte sich Köhler schämen für dieses schlampig hingerotzte Werk, das zwischen Hagiographie und billiger Häme pendelt. Welcher Spiegel-Ressortleiter im Hamburger Sex-Club "Salambo" eine fremde Dame bestieg und auf ihr vorzeitig ejakulierte ist ihm ebenso wichtig wie Augsteins früher Kontakt zu Adenauer, für den er die Chancen einer Wiederbewaffnung ventilieren sollte.
Köhler, selbst mal Spiegel-Autor, demonstriert im Nachhinein und unfreiwillig, warum er damals gefeuert wurde: "Sechs Wochen nachdem die westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik durch den Generalvertrag mit einiger Souveränität ausgestattet haben, biss Rudolf Augstein als freier Bürger in ein heißes, feuchtes, schwabbliges Gebilde: eine heiße Bouillonwurst, zubereitet in der Gaststätte Rimberg" - das soll die typische Spiegel-Schreibe imitieren, ist aber nur albern.
Bei allem eitlen Geschwafel Köhlers kommt er nicht umhin, immer wieder von der Person Augstein fasziniert zu sein. Wenn der schon mal im Fragebogen der FAZ antworten soll: "Was halten Sie für die größte militärische Leistung?ö, schreibt er lakonisch: "Meinen Rückzug aus der Ukraineö. Gut, der Mann.
Erich Sauer
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Lutz Hachmeister, Friedemann Siering (Hg.): Die Herren Journalisten Die Elite der deutschen Presse nach 19Beck, beck'sche Reihe Nr. 1457, München 2002, 328 S., 14,90 EU, ISBN: 3406475973
Otto Köhler: Rudolf Augstein - Ein Leben für Deutschland Droemer, München 2002, 416 S., 24,90 EU, ISBN: 3426272539
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