IRAK

Wir sind alle Terroristen

In »Ich bin ein Deserteur« erzählt einer, warum er vorm Krieg davonläuft.

Joshua Key ist ein einfacher Mann, Soldat und Amerikaner. Außerdem ist er ein Vaterlandsverräter. Nach sieben Monaten Frontdienst im Irak hat der Obergefreite Key sich unerlaubt von der Truppe entfernt, hat Frau und Kinder eingepackt und ist seitdem auf der Flucht. Zur Zeit lebt er in Kanada, sein Asylantrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Zusammen mit dem Journalisten Lawrence Hill schrieb er auf, wie es dazu kam.
Joshua wurde 1978 geboren und wuchs in einer armen aber bibeltreuen Familie auf. Der Vater soff und verließ die Familie, der Stiefvater soff auch und brachte Joshua schon als Kind den Umgang mit Waffen bei. Allerdings verprügelte er auch Joshs Mutter, was scheinbar ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt in Josh erzeugte. Er wurde ein Raufbold, der überzählige junge Hunde lieber erschießt als ertränkt.
Josh gründete früh eine eigene Familie und brachte sie eine Zeit lang mit einfachen Arbeiten durch. Bald kamen Kinder und das Geld reichte nicht mehr. Da bietet ein Rekrutierungsoffizier der Army Joshua eine Ausbildung und seiner wachsenden Familie ein Auskommen. Josh wundert sich ein bisschen, weil die Army scheinbar jeden nimmt. Er wundert sich ein bisschen mehr, weil seine Vorgesetzten ihn während er Grundausbildung Drückeberger verprügeln lassen. Er beklagt sich sogar als er trotz gegenteiliger Zusagen 2003 in den Irak geschickt wird. Er fühlt sich betrogen, weil er glaubt, nur als Nicht-Kämpfer unterschrieben zu haben, aber er glaubt auch, dass man was gegen die Terroristen tun müsse.
Aber die einzigen Terroristen im Irak sind er und Soldaten wie er. Josh durchsucht Häuser nach Verdächtigen und findet nur Kinder und alte Leute, Josh plündert und prügelt, Josh sieht zu, wie seine Leute Zivilisten töten und sich im Allgemeinen aufführen wie Monster. In sehr zurückhaltendem Ton beschreibt er, wie unamerikanisch er das Auftreten der Truppe im Irak findet und wie unsoldatisch die Vorgesetzten ihre Leute zu paranoiden Rassisten dressieren. Und wie er dann beschloss, sich nicht weiter an einem verbrecherischen Krieg zu beteiligen.
Der größte Teil von Ich bin ein Deserteur spielt in Amerika und handelt von Joshua Key. Über den Irak lernt man nur, dass er ohne Amerika wohl besser dran wäre. Interessanter ist Keys Blick auf sein Land, das er an der Front verlor. Er wollte so gerne ein guter Amerikaner sein und heute sagt er: Ich komme nur zurück, wenn der Präsident wegen des Golfkriegs vor Gericht kommt.
Oder wenn Kanada Joshua Key ausliefert.
WING
Joshua Key mit Lawrence Hill: Ich bin ein Deserteur. Mein Leben im Irakkrieg und meine Flucht aus der Armee Aus dem Amerikanischen von Anne Emmert. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, 255 S., 19,95