EINFACH LEBEN Fieses Genie Ein Roman mit einer erfreulich unsympathischen Hauptfigur Mead Fegley ist ein Mathe-Genie. Mit fünfzehn Jahren beginnt er sein Studium am College in Chicago, kann die Einführungsveranstaltungen überspringen und steht drei Jahre später kurz vor seinem Abschluss, als er plötzlich beschließt nach Hause zu fahren, weil er kein Genie mehr sein will. Fortan möchte er "endlich sein eigenes Leben leben". Wie das sein soll, weiß er allerdings auch nach 456 Seiten nicht. Der verführerische Charme der Durchschnittlichkeit, der im Original kurz und knackig Life After Genius heißt, beginnt mit Meads eiliger Fahrt vom College zu seinen Eltern. Der Leser erfährt sehr langsam, was genau passiert ist, da kaum zwei aufeinanderfolgende Kapitel einen chronologischen Zusammenhang haben. Vermutlich wollte Autorin Melissa Jacoby ihren vorhersehbaren Plot dadurch spannend machen, doch er wurde nur etwas verworren. Das ist schade, denn Mead hätte eine bessere Geschichte verdient. Er hat etwas Besonderes: Er ist unsympathisch und bleibt es bis zum Schluss. Er ist so egozentrisch, dass er sich sogar von seinem Cousin Percy bedroht fühlt, obwohl er der einzige Gleichaltrige ist, der Mead mag. Kaum empfindet man Mitleid, wenn Mead als Kind von einem Mitschüler übel bedroht wird, verhält er sich wieder so asozial, dass sein Dasein als Außenseiter nur logisch erscheint. Er ist nicht das Opfer, das immer aus Neid oder purer Grausamkeit gemobbt wird, er trägt einen Teil bei. Doch wegen der flachen Handlung, kann der authentische Antiheld dem Roman nur zum Mittelmaß verhelfen. Janne Hiller
Melissa Jacoby: Der verführerische Charme der Durchschnittlichkeit. Aus dem Englischen von Jakob Schmidt. Droemer, München 2011, 456 S., 19,99
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