ALTE MÄNNER

Zum Glück gevögelt

Das große Damenlegen in John Irvings »Die vierte Hand«

Als der Regisseur Sam Peckinpah gefragt wurde, warum am Ende von Das Osterman Wochenende der Wohnwagen (mit einem Teil der Protagonisten an Bord) explodieren muß, knurrte er: "Die Produzenten wollten das so." Er, Peckinpah, sei ein alter Mann, und ihm wäre es inzwischen viel sympathischer, wenn alle Beteiligten überlebt hätten und anschließend ein Bier trinken gegangen wären; ein Jahr später war Peckinpah tot.
John Irving lebt noch, und er schreibt jetzt die Enden, die Peckinpah gerne verfilmt hätte. Die vierte Hand, wochenlang auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste, handelt von einem Krawalljournalisten, der sich sein Lebensglück ervögelt.
Er fickt seine Redaktionskolleginnen (alle!), er fickt die Maskenbildnerin, er fickt seine deutsche Tonassistentin ("sie trug ein T-Shirt ohne BH." - doch doch, alte Männer haben einen Blick für's Wesentliche). Er fickt sogar die Frau, die er liebt, aber das stört nicht weiter.
Die vierte Hand kommt, wie jeder schlechte Roman, arg metaphernbefrachtet daher: einst wurde dem Nachrichtenmann vor laufender Kamera die linke Hand von einem Löwen abgebissen. Dann bekam er die Hand eines Toten angenäht (dessen Witwe fickt er im Arztzimmer, kurz vor der Operation), aber aus der Hand wird nichts. Sie muß wieder abgetrennt werden, und so wie er fortan unter Phantomschmerzen der fehlenden Hand leidet, so sehnt er sich plötzlich nach der von ihm geschwängerten Witwe des Handspenders. Der einst zynische Journalist will ein Papa und braver Gatte werden. Mit der Realisierung dieses Wunsches endet das Buch.
Es fällt - wie schon bei Witwe für ein Jahr - auf, dass Irving nur noch routiniert seine Romane zusammenbastelt. Die Figuren bleiben blaß und uninterresant, die Geschichte ist pure Kolportage, natürlich aufbereitet mit allen Kniffen, die ein solider Handwerker wie Irving beherrscht. Und es erstaunt, wie unerotisch und frauenverächtlich Irving seine Fick-Szenen gestaltet. Da ist eine Frau ein "Erektionsauslöser", die nächste "voller Hingabe", und die junge Maskenbilderin beißt und kratzt nicht nur, sie wird vom Helden derart mächtig gefickt, dass sie beim Orgasmus in Ohmacht fällt. Mehrmals. Dafür putzt sie ihm aus Dankbarkeit die Wohnung. Und alles nur, damit der Held zu seinem idyllischen und braven Ehe-Ende findet.
Manchmal ist es wirklich besser, den Wohnwagen einfach in die Luft zu jagen.
Thomas Friedrich
John Irving: Die vierte Hand Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Diogenes, Zürich 2002, 439 S., 22,90 EU