IRLAND
Rosinen im Kopf Screwball mit Elvis auf dem Dorfe Junger Mann, Anfang dreißig, Hilfsschrauber in der dörflichen Autowerkstatt, keine Freundin, noch bei seiner Mutter wohnend. Irgendwas im Leben des Frankie Shaw scheint schiefgelaufen zu sein. Denn der größte Wunsch, den Frankie hat, ist es, der beste Elvis-Imitator Irlands zu werden. Sonst keine Probleme, Mann? Aber natürlich! Der Debut Roman der irischen Autorin Sarah Kavanagh Rosinen im Kopf hält jede Menge Trouble für Frankie parat. Es ist die Geschichte vom Hinterwäldler, der in die große Stadt kommt, um von einer peinlichen Situation in die nächste zu stolpern. Aber am Ende wartet auf Frankie natürlich der berühmt berüchtigte Prozess der Selbstfindung. Na klar, für irgendwas muß die ganze Scheiße, die ihm im Laufe seines Romanlebens so widerfährt, ja gut sein. Sarah Kavanaghs kleines Paradies heißt Loughfergus, und das liegt, wie schon erwähnt, in Irland, ungefähr zwei Autostunden von der pulsierenden ... äh ... Metropole Dublin entfernt. Eigentlich könnte Loughfergus aber auch Stapelage heißen, und das wäre von hier aus knappe drei Kilometer entfernt. Denn wenn man Frau Kavanaghs Roman glauben schenken will, ist ihr Dorf wie alle anderen Dörfer in der Welt. Wie war das noch? Ach ja, jeder kennt natürlich jeden. Ansonsten ist auf dem Lande natürlich nicht viel los. Es gibt nur eine Kneipe, in der sich abends alle treffen. Dann hören sie Frankie zu, der bei der Elvis-Karaokeshow vor dörflichem Publikum seinen Hüftschwung verfeinert. Frankie will zur Endauscheidung nach Dublin, dort wird demnächst der beste Elvis-Imitator der grünen Insel ermittelt. Warum Frankie so verbissen auf dieses Ziel hinarbeitet, erfahren wir nicht so genau. War es der im Dorf übermächtig beliebte Vater, der so begnadet singen konnte, daß er bei den Frauen aus Loughfergus einen größeren Stein im Brett hatte als Ol' Blue Eyes persönlich? Oder liegt es an Carmel, Frankies groooßer Jugendliebe. Hat er doch nie verwunden, daß sie ihn verließ und nach Dublin verschwand mit einem anderen Mann. Da kann man schon zum Elvis Freak werden. Ja doch! Dieses Buch schlängelt sich langsam und beharrlich an jedem Klischee vorbei, das auf dem Weg von Loughfergus nach Dublin liegt. Aber während der erste Teil des Buches durchaus amüsant und in einer gewissen Screwball-Manier das Leben der Dörfler schildert, läuft der Großstadtteil doch arg aus dem Ruder und versaubeutelt mit künstlich konstruiertem Klamauk den schönen Anfang. Mußte denn unbedingt noch eine Entführungsgeschichte dazukommen? Und die Jugendliebe wird im Laufe des Romans dank eines geschickt ausgedachten Seitensprungs seitens Frankies Vater tatsächlich zur Schwester. Nur Pech, daß die beiden schon miteinander geschlafen haben. Huch, hier kommt aber eine seltsame Wendung ins Buch. Schwer Tabubruchverdächtig das Ganze. Aber es endet natürlich alles in Wohlgefallen. Wie sich das für ein sauberes Buch gehört. Mal im Ernst, selbst in den schlechtesten Ami-Soaps werden solche dramaturgischen Mittel nur noch selten eingesetzt. Und meinetwegen hätte am Ende der schwule Dorfwirt ruhig sein privates Glück finden können, das hätte dem schmalzigen Finale auch nicht mehr groß geschadet. Insgesamt gesehen ist Rosinen im Kopf eine warmherzige Angelegenheit, mit leichter Hand geschrieben und mit einem feinen Sinn für Humor. Wie sagt man so schön: Es menschelt. Und zwar heftig. Das ist grundsätzlich nichts schlechtes, im Gegenteil. Sarah Kavanagh mag ihre Figuren, und der Leser mag sie auch. Sie haben nur leider keine Ecken und Kanten. Mirko Puzic
|
Sarah Kavanagh: Rosinen im Kopf Aus dem englischen von Ariane Böckler. Goldmann, München 1998, 286 S., 20,- DM |