Aussenseiter

Dunkle Kapitel

Fremd in der Fremde: Ein Serbe in Irland

Vid sucht eine neue Heimat. Einen Neuanfang, der eine Distanz zu dem schafft, was er bisher durchgemacht hat: den Krieg im ehemaligen Jugoslawien, den Unfalltod seiner Eltern und das Leben in einer Gesellschaft, die durch Gewalt, Rache und stetige Unruhe gekennzeichnet ist.

Um all dem zu entkommen, macht er sich nach Irland auf, wo er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Er lernt den jungen Anwalt Kevin Concannon kennen, der sich seiner annimmt und ihm im Haus seiner Mutter einen lukrativen Job anbietet.

Hugo Hamilton beschreibt einen Außenseiter, der sich anstrengt, im neuen Land anzukommen, die Sprache zu lernen, die Kultur zu begreifen. Aber Vid möchte vor allem etwas, das ihm in Serbien genommen wurde. Er möchte wieder Teil einer Familie sein, der Familie, in die hinein ihn der Zufall geführt hat. Andererseits wird er immer wieder von den Erinnerungen eingeholt, die er mit niemandem teilen möchte. Schnell wird ihm klar, dass ein Neuanfang nicht glücklich machen muss. Und dass Gewalt und Rache nicht nur in seiner Heimat an der Tagesordnung waren.

Das Buch zeichnet ein ungeschöntes Bild von Irland und seinen Bewohnern. Das idyllische Fleckchen Erde, das uns sonst präsentiert wird, bekommt gehörige Risse. Familiengeheimnisse, Gewalt und Tod verfolgen die Protagonisten. Und immer wieder spielt das Meer eine große Rolle, das Wasser, das die geteilte Insel Irland umgibt und viele Menschen das Leben gekostet hat.

Jedes Kapitel eröffnet neue dunkle Seiten. Jedes Kapitel zeigt, wie schwer es ist, anzukommen. Der Wunsch, dass es einem in einen anderen Land besser gehen wird und die Ernüchterung, wenn einem klar wird, dass es manchmal nicht in der eigenen Hand liegt, ob sich alles zum Besseren wendet.

Sacha Brohm
Hugo Hamilton: Der irische Freund. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Luchterhand, München 2011, 285 S., 19,99