DAN SIMMONS

Sterbende Erden

Ein Horror-Star schreibt das Universum um

Ist das Horror? Ist das Science Fiction? Nein, es ist Dan Simmons. Und der nahm, Ende der Achtziger gerade mit zeitnaher Schauder-Fiction zu Ruhm gekommen, eine altenglische Erzählweise (Reisende erzählen einander, wer sie sind, woher sie kommen ... während das Grauen näher kommt) und mischte schon im ersten Satz Bildungshuberei, Kostümschinken, uralte Zukunft und gelangweilte Space-Opern-Politik aufs Publikumsverprellendste: "Der Hegemoniekonsul saß auf dem Balkon seines Ebenholzraumschiffs und spielte Rachmaninoffs Prelude in cis-Moll".
Später bricht auch noch echte Gothic mit religiösen Monstern ein, echte SF mit rekalibrierten Tachyonenkonvertern ... Zeitgräber reisen rückwärts zu den Ursprüngen des Universums, der altböse Feind zersägt heldenhafte Astronauten in ihren Träumen ... und Simmons' Horror-Publikum verstand die Welt nicht mehr. Anfang der 90er, als Simmons versuchte, mit Hyperion (das spielt nicht auf Hölderlin an, sondern auf Keats) das Bahnhofs-Buchhandlungs-Regal zu wechseln. Die SFler dagegen kamen mit Simmons Rekurs auf die 70er des Genres (Delany, Moorcock & Co.) nicht klar, und waren eher verärgert, nach 300 Seiten Kosmo-Grübeln auf die Parodie eines Pulp-Schreibers zu stoßen, der im Angesicht des Infernos nur an den Abgabetermin für "Die sterbende Erde Teil 9" denkt.
Hyperion hatte es schwer - und hat es sehr verdient, jetzt in der "High 8000"-Reihe mit von Heyne-Lektor Wolfgang Jeschke handverlesener "guter SF" wiederaufgelegt zu werden. Hyperion ist inzwischen sogar eine Tetralogie geworden, aber in naher Zukunft kriegen wir nur den zweiten Band zum ersten neuaufgelegt: Der Fall von Hyperion. Mit einem hübschen Marketing-Trick: wenn ihr Kretins den Wert eines Taschenbuchs nicht erkennt, machen wir eben ein Hardcover draus. Allerdings zum gleichen Preis.
Wie wir schon beim erstenmal schrieben: "Universumsweite Computernetze, nur im Softwarebereich existierende Intelligenzen, Priester verschrobener Religionen, ein Krieg der Welten, eine abtrünnige Galaxispräsidentin, ein fliegender Teppich, ein Pseudo-Maler, der in irgendeiner Wirklichkeit die künstliche Wiedergeburt des alten Dichters Keats ist, taktische Debatten im Generalstab, die Raumschiffe der Fremden, Transmitterportale von Sonnensystemgröße, persönliche Schuld und symbolisches Blut, Qualen ohne Ende und politische Intrigen ... alles ist in Hyperion. Und der Flickenteppich fliegt tatsächlich." Wer auch beim zweiten mal nicht zusteigt, kann sich begraben lassen.
WING
Dan Simmons: Hyperion. Der Fall von Hyperion übersetzt (wenn man das so nennen will) von Joachim Körber. München: Heyne 1997/98 [8005/6], 686/636 S., je 19.80 DM